Die im Tertialbericht 3/2004:dargestellte Entwicklung der Nutzerzahlen und der Nutzerzusammensetzung in 2004 gegenüber 2003 ist aus Sicht der Stadtbücherei in Bezug auf die gesunkenen Anteile erwachsener und jugendlicher AusweisinhaberInnen besorgniserregend.

 

 

Entwicklung der Benutzergruppen nach Benutzerkategorie gegenüber Vorjahr

 

2003

 

 

 

2004

 

 

 

 

Alters-gruppen

Anzahl

%

Einw

Nutzer-% von Einw

Anzahl

%

Einw

Nutzer-% von Einw

Ausweise zum

Vorjahr in %

Kinder

3 – 13 J.

3.389

18,61

7.118

48

3.614

30,77

7.474

48

107

Jugendl.

14 - 17 J.

2.037

11,19

2.812

72

976

8,31

3.100

31

48

Erwachs. ges.

9.395

51,59

63.299

15

7.155

60,92

68.118

11

76

Gesamt

14.821

100

73.229

20,24

11745

100

78.692

15

81

 

Die Verluste in 2004 sind unmittelbar und vorrangig im Zusammenhang zu sehen mit der Verdopplung der Jahresnutzungsentgelte zum 01.01.2003 auf € 24,00 resp. € 12,00. Der Einbruch der Nutzerzahlen erst im Jahr nach der Entgelterhöhung ist insofern konsequent, als die einjährige Gültigkeit der Büchereikarten nicht an das Kalenderjahr gebunden ist. Die Gültigkeit der meisten der in 2002 genutzten Büchereikarten reichte bis ins Jahr 2003.

Hiervon verzichteten 36 % auf eine Verlängerung der Ausweisgültigkeit.

Verrechnet mit der Zahl der Neuanmeldungen in 2004 reduziert sich der reale Verlust an aktiven BüchereikarteninhaberInnen in 2004 auf 19 % gegenüber 2003.

 

Eine vergleichbare Reaktion auf Entgelterhöhungen bzw. auf die Einführung von Entgelten ist typisch in Öffentlichen Bibliotheken, in Norderstedt hatte es z.B. nach der ersten Einführung von Jahresnutzungsentgelten in 1984 einen derartigen Einbruch in den Nutzerzahlen gegeben, dass drei Jahre später die Entgelte wieder rückgängig gemacht wurden und die Nutzerzahlen in den Folgejahren langsam wieder stiegen. 1994 wurden dann erneut Jahresnutzungsentgelte eingeführt und die Nutzerzahlen brachen daraufhin von 17.053 auf 12.485 zusammen. Die ursprüngliche Nutzerzahl konnte in den Folgejahren nicht wieder erreicht werden.

 

Zur Erklärung der negativen Reaktion auf die starke Anhebung der Jahresnutzungsentgelte müssen für die betroffenen Altersgruppen verschiedene Aspekte betrachtet werden.

 

  1. Zu den erwachsenen NutzerInnen einer Öffentlichen Bücherei gehören in der Regel mehr Menschen aus den mittleren und unteren Einkommensschichten als solche mit guten Einkommen, die immer noch die von ihnen gewünschten/benötigten Bücher/Medien selbst kaufen können. Angesichts der Wirtschaftslage ist die Bereitschaft bzw. Möglichkeit der erstgenannten Zielgruppen gering ein derart hohes Jahresnutzungsentgelt für die Stadtbücherei zu zahlen, zumal, wenn Familien zu versorgen sind.
  2. Bei Jugendlichen wird von Marktforschungsinstituten zwar immer wieder deren Finanzkraft herausgestellt, gleichzeitig belegen Erhebungen jedoch ein verändertes Ausgabeverhalten, das sich auch in der Freizeitgestaltung niederschlägt (vgl. Tabelle weiter unten: alle abgefragten Aktivitäten, die Geld kosten, wurden von den Jugendlichen in 2004 gegenüber 2003 drastisch reduziert). Investiert wird das verfügbare Geld in Ausgaben für Outfit und Kommunikation, hierbei vor allem Handy-Nutzung.
    Im übrigen trifft auch hier für das finanzielle Potential der jugendlichen potentiellen BüchereinutzerInnen oben Gesagtes zu..
    Dass das Medienspektrum der Stadtbücherei als solches durchaus die Interessen der Jugendlichen trifft, zeigen die Ergebnisse der Studie „JIM“ in bezug auf Freizeitgestaltung:

    Mediennutzung und Freizeitgestaltung der 14 - 19jährigen in %*

Mehrmals in der Woche ausgeübte Tätigkeiten von % der befragten Jugendlichen **

2003

2004

Zeitschriften, Zeitschriften lesen

34,70

36,00

Bücher lesen

32,60

36,90

Fernsehen

90,10

89,20

Radio hören

77,00

82,00

CD/MC hören

78,20

43,10

Videos/DVDs sehen

13,30

8,30

Ins Kino gehen

1,60

0,30

Theater-/Konzertbesuch

0,40

0,20

Handarbeiten, Basteln, Heimwerken

9,00

20,90

Sport treiben, Trimmen

65,50

39,20

Ausgehen (Kneipe, Disco)

30,20

10,40

*Quelle: Studie „Jugend, Information und Medien“ – In: Media Perspektiven, Hrsg. Vom Medienforschungsverband Südwest, Sonderheft 1/2005.

Bei dieser spezifischen, jährlich fortgeschriebenen repräsentativen Langzeitstudie des Medienforschungsverbandes Süd-West, begonnen in der Vor-Computer- und Vor-Handy-Zeit, wird die Nutzung von beidem nicht abgefragt.  Die Nutzung dieser beiden Medien wird in anderen Erhebungen dokumentiert., der dafür aufgewendete Zeitbedarf hat in diesem Zusammenhang keine Relevanz, wohl aber die dadurch entstehenden Kommunikationskosten.

 

Vor dem Hintergrund der weggebrochenen Nutzerzahlen und des daraufhin im relevanten 2. Jahr verfehlten Einnahmeziels sollten aus Sicht der Stadtbücherei die Entgelthöhe und -struktur noch einmal überdacht werden, um im einen wie im anderen Fall zu befriedigenderen Jahresergebnissen zu kommen.

 

  1. Jahresnutzungsentgelte für Jugendliche.

 

Das Wegbleiben der 14 – 17jährigen ist besonders bedenklich im Zusammenhang mit den PISA-Studien, da deren Ergebnisse eine eindeutige Verbindung herstellen zwischen den Leistungen der SchülerInnen und der Einbeziehung von Büchereien in schulrelevante Lernprozesse, aber auch selbstgesteuerte Lernprozesse.

Das grundsätzliche Ausgabeverhalten der Jugendlichen kann die Stadtbücherei Norderstedt durch ihre Angebote nicht beeinflussen. Eine Erleichterung des Zugangs zur Stadtbücherei könnte aus Sicht der Stadtbücherei nur über die Entgeltfrage geregelt werden: immerhin hatten vor der Verdopplung des Jahresnutzungsentgelts über 70 % der relevanten Jahrgänge der EinwohnerInnen einen Büchereiausweis.

Eine bundesweite Abfrage hat ergeben, dass kaum eine Stadt von Jugendlichen ein Jahresnutzungsentgelt für den Büchereiausweis fordert. Sie hat ebenfalls ergeben, dass andere Städte, z.B. Lübeck, die zwischendurch Nutzungsentgelte für Jugendliche eingeführt hatten, diese wieder aufgehoben haben, da die Folgen dort denen in Norderstedt vergleichbar waren.

Sollte sich Norderstedt ebenfalls für eine entgeltfreie Nutzung der Stadtbücherei durch Jugendliche entscheiden, dann würde der Einnahmeverlust bei den derzeit 976 aktiven Ausweisen in der Stadtbücherei Norderstedt max. 11.712 € betragen, dies wären 9,6 % der Einnahmen aus Nutzungsentgelten in 2003. Da allerdings ein erheblicher Teil der Jugendlichen auf die sog. Kleine Büchereikarte entleiht, wäre der Verlust ca bei 5 % anzusiedeln.

Aufzufangen über andere zusätzliche Einnahmen wäre dieser Einnahmeverlust kurzfristig nicht und mittelfristig nur durch Maßnahmen, mit denen mehr zahlende Büchereikarten-InhaberInnen gewonnen werden könnten.

 

Hier wäre aus Sicht der Stadtbücherei seitens der Politik zu entscheiden, was höher zu bewerten ist:

  • das Erreichen eines hohen Anteils der jugendlichen EinwohnerInnen per kostenfreier Nutzung der Bücherei oder
  • der geringe Beitrag zu den Einnahmen der Bücherei, der offensichtlich von dieser Altersgruppe zu erzielen ist.

 

  1. Jahresnutzungsentgelt für Erwachsene

Das in Norderstedt geforderte Nutzungsentgelt ist im bundesweiten Vergleich fast das höchste überhaupt. Dass die Höhe des Jahresnutzungsentgelts keine Akzeptanz bei den EinwohnerInnen gefunden hat, zeigt der Einbruch bei der Zahl der erwachsenen Büchereikarten-InhaberInnen.

Hier vertritt die Stadtbücherei die Meinung, dass

  • die Akzeptanz des Jahresnutzungsentgelts bei einer geringeren Höhe bei ehemaligen und auch bei potentiellen neuen BenutzerInnen steigen würde und
  • dass über das daraus resultierende Mehr an aktiven Büchereikarten mindestens die selbe Einnahmehöhe, mittelfristig vermutlich jedoch ein deutliches Plus gegenüber 2004 erzielt werden könnte.

 

  1. Familienkarte als Alternative zu den vorgeschlagenen Veränderungen aus Punkt 2 und 3

Sofern bundesweit in Öffentlichen Bibliotheken Familienausweise angeboten werden, so liegt das dafür geforderte Entgelt in Büchereien vergleichbarer Größenordnung zwischen 18,00 und 36,00 €.

Aus Sicht der Stadtbücherei empfiehlt sich die Einführung von Familienausweisen nicht.

Der entscheidende Grund hierfür ist, dass die Auswirkungen auf die Einnahmesituation nicht kalkulierbar sind, da keinerlei Daten über die Familienzusammengehörigkeit der BüchereibenutzerInnen vorliegen.

 

Dem Ausschuss für Kultur und Städtepartnerschaft wird für die Sitzung im April eine entsprechende Vorlage vorgelegt.