Sitzung: 21.03.2013 Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr
Beschluss: einstimmig beschlossen
Abstimmung: Ja: 13, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: B 13/0619
so geänderter Beschluss:
1.)
Das Einzelhandelsangebot der Stadt Norderstedt besitzt bereits heute im
Vergleich zu anderen Mittelzentren - insbesondere dem konkurrierenden
Mittelzentrum Kaltenkirchen - eine unterdurchschnittliche Verkaufsflächenausstattung
(1,54 m²/EW in Norderstedt gegenüber 4,50 m²/EW in Kaltenkirchen)
sowie eine unterdurchschnittliche Umsatz-Kaufkraft-Relation (92 %
in Norderstedt gegenüber 209 % in Kaltenkirchen).
Als Folge daraus lässt sich einerseits bereits heute ein erhöhter
Entwicklungsbedarf der Stadt Norderstedt zur Sicherung der zentralörtlichen
Funktionen ableiten.
Andererseits würde die beantragte Erweiterung in Kaltenkirchen zu einer weiteren
Verschärfung der Wettbewerbsungleichgewichte führen und den Bestand sowie die
Entwicklungschancen in Norderstedt gefährden. Dies gilt insbesondere für die
aktuellen Bestrebungen für die bereits seit Jahren planungsrechtlich gesicherte
und dringend notwendige Süd-Erweiterung des Herold-Centers.
2.)
Die Stadt Norderstedt weist angesichts ihrer historischen Entwicklung als
Zusammenschluss von vier Gemeinden zudem eine besondere Einzelhandelsstruktur
auf. In den vier Ursprungsgemeinden haben sich Quartierszentren entwickelt, die
zusammen mit den beiden Hauptzentren Norderstedt-Mitte und Herold-Center die
zentralen Versorgungsbereiche bilden. Sämtliche zentralen Versorgungsbereiche
und ihre Entwicklungsoptionen müssen hinsichtlich der Auswirkungen der
Dodenhof-Erweiterung erfasst und untersucht werden. Das Herold-Center, als Hauptzentrum
mit Schwerpunkt Einzelhandel, übernimmt dabei gesamt-städtische
Versorgungsfunktionen. Deshalb steht das Herold-Center als herausgehobener
gesamt-städtischer Versorgungsbereich in besonderer Weise unter dem Schutz der
entsprechenden raumplanerischen und sonstigen planungsrechtlichen Bestimmungen.
Eine Bestandsgefährdung und Entwicklungsbehinderung des Herold-Centers durch
die Dodenhof-Erweiterung hätte nachhaltig schädliche Auswirkungen auf die
Funktionalität des Einzelhandels in der Stadt Norderstedt insgesamt. Dabei
unterliegt das Herold-Center bereits seit Jahren einem zusätzlich starken
Wettbewerbsdruck durch das benachbarte Alster-Einkaufszentrum (AEZ) in
Hamburg.
3.)
Gemäß der beantragten Erweiterung würde allein schon die Bekleidungs-,
Schuh- und Sportfläche des Dodenhof-Hauses in Kaltenkirchen 11.200 m²
aufweisen. Das entspricht ca. 73 % der entsprechenden Verkaufsfläche des
Herold-Centers in diesem Segment. Das BVerwG (BVerwG 4C7.07) sieht in diesem
Verkaufsflächengrößenvergleich zwischen einem Angebot im zentralen
Versorgungsbereich und einem Wettbewerbsstandort außerhalb des zentralen
Versorgungsbereichs bereits ein hinreichend aussagekräftiges Indiz dafür, dass
es zu schädlichen Auswirkungen für den Anbieter im zentralen Versorgungsbereich
kommen wird.
4.)
Im Flächennutzungsplan der Stadt Norderstedt 2020 wird darüber hinaus
eine Vielzahl von einzelhandelsrelevanten Planvorhaben aufgeführt, die die
bestehenden Versorgungsdefizite beheben und die Funktionalitäten sichern
sollen. Dies gilt nicht nur für die Erweiterung des Herold-Centers, die bereits
seit längerer Zeit planungsrechtlich gesichert und bekannt sein sollte, jedoch
in der GMA-Analyse im Auftrag von Dodenhof nicht enthalten und somit nicht
bewertet wurde. Die Wettbewerbsfolgen einer Dodenhof-Erweiterung in den
zentren-relevanten Warengruppen werden sich negativ auf die Entwicklungsziele
für den Einzelhandel des Flächennutzungsplanes 2020 der Stadt Norderstedt
auswirken. Parallel dazu sind auch die attraktivitätssteigernden Maßnahmen (im
Rahmen der städtebaulichen Gesamtmaßnahme nach dem Städtebauförderungsprogramm
Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) und für Norderstedt-Mitte von den
Auswirkungen der weiteren Attraktivitätssteigerung des Dodenhof-Standortes in
Kaltenkirchen betroffen.
5.)
Die verschiedenen Einzelhandelsentwicklungsbereiche der Stadt Norderstedt
werden in der GMA-Analyse zur Dodenhof-Erweiterung nicht thematisiert. Neben
der Herold-Center-Erweiterung gilt das für die Schmuggelstieg-Entwicklung und
die Neupositionierung des Angebotes am Glashütter Markt. Insbesondere die
planungsrechtlich gesicherten Vorhaben am Herold-Center sowie am Schmuggelstieg
sind zwingend in die Analyse einzubeziehen, damit eine fundierte Aussage über
die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen möglich ist.
6.)
Es kann nicht im Sinne der Raumordnung und Landesplanung sein, dass der
Bund und das Land einerseits die Stärkung von Stadt- und Ortsteilzentren zu den
herausragenden kommunalen Zukunftsaufgaben zählt und neben dem finanziellen
Engagement der Stadt selbst auch das Land mit erheblichen Steuergeldern wie am
Schmuggelstieg (im Rahmen der städtebaulichen Gesamtmaßnahme nach dem
Städtebauförderungsprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) fördert bzw. in
Norderstedt-Mitte gefördert hat. Andererseits aber das Land - im Falle einer Genehmigung
der dritten Erweiterung - gegen die erklärtermaßen eigenen Ziele, z.B. des
Landesentwicklungsplans (LEP), verstoßen würde. Zugleich würden damit alle
Bestrebungen von kommunaler und privater Seite zur Stabilisierung und
Revitalisierung solcher Ortsteilzentren und fragiler Innenstadtlagen in Frage
gestellt und konterkariert werden.
7.)
Die GMA-Analyse zur geplanten Erweiterung von Dodenhof weist an
verschiedenen Stellen "mangelnde Plausibilitäten" auf. So weicht die
kartografische Darstellung der Kommunen im Einzugsgebiet (S. 23f. der
GMA-Analyse vom August 2011) von den Angaben zur Einwohnerzahl in den
verschiedenen Zonen des Einzugsgebietes ab (S. 26 der GMA-Analyse vom August
2011). Ebenfalls nicht plausibel ist die Berechnung des relevanten
Kaufkraftpotentials im Bereich Gesundheit/Körperpflege. Sowohl bei der
Darstellung der Einwohnerzahlen im Einzugsgebiet als auch bei der Übersicht der
relevanten Kaufkraftpotenziale ist eine differenzierte Darstellung erforderlich,
um die GMA-Aussagen nachvollziehen und bewerten zu können.
8.)
In der GMA-Modellrechnung für die zu erwartenden Marktanteile des
Erweiterungsvorhabens sind die Annahmen für die zentren-relevanten Sortimente
Bekleidung, Schuhe, Sport wenig plausibel. Im deutlichen Gegensatz zur GMA-Aussage,
dass das Möbelhaus einen weiteren Einzugsgebietsradius als das Modehaus
anspricht, sind die Umsatzanteile des Modehauses (25 %) in der Zone I von der
GMA niedriger angesetzt als beim Möbelhaus (29 %). Als Folge dieses Ansatzes
werden die Modehaus-Umsätze in der Zone I zu niedrig berechnet und entsprechend
die Umsatzumverteilungen mit dem Hauptwettbewerber Herold-Center zu gering
ausgewiesen.
9.)
Angesichts der nicht plausiblen Darstellung der Einwohnerzahlen in der
Zone I, der wenig aussagekräftigen Zusammenfassung von Warengruppen bei der
Kaufkraftpotentialberechnung und den zu niedrigen Umsatzanteilen in Zone I sind
die GMA-Aussagen zu den Umsatzumverteilungswirkungen nicht aussagekräftig und
somit keine fachlich geeignete Grundlage für das laufende
Zielabweichungsverfahren der Landesplanung.
10.)
Trotz dieser methodischen Unstimmigkeiten der Berechnungen der GMA, sind
die GMA-Ergebnisse für die Stadt Norderstedt zunächst einmal auch zu bewerten:
So wird von einem Umsatz der Dodenhof-Erweiterungsfläche im Bereich Bekleidung,
Schuhe, Sport in der Zone 1 von 5,3 Mio. € ausgegangen (S. 40 der
GMA-Analyse vom August 2011). Davon entfallen 3,79 Mio. € auf Umsatzumverteilungen
mit dem Herold-Center (S. 48 der GMA-Analyse vom August 2011). Das entspricht
einem Anteil von 72 %. Die GMA-Analyse unterstreicht somit trotz der
oben formulierten methodischen Einschränkungen die besondere Relevanz der
Dodenhof-Planungen für den Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten des
Herold-Center.
11.)
Eine - unter worst case-Aspekten erforderliche - stärkere
Berücksichtigung von Umsätzen in zentren-relevanten Warengruppen in der Zone I
(Umsatzanteile in Zone I wie im Drogeriebereich) führt dazu, dass die
Umverteilungsquoten bei Bekleidung, Schuhe, Sport mit 12
% und Optik, Uhren, Schmuck mit 24,7 % deutlich über dem
Schwellenwert von 10 % liegen und schädliche Auswirkungen für den
Bestand im zentralen Versorgungsbereich Herold-Center zu erwarten sind. Damit
verstößt das Erweiterungsvorhaben der Fa. Dodenhof in der vorliegenden Form deutlich
dem Beeinträchtigungsverbot, dem Kongruenzgebot sowie dem städtebaulichen
Integrationsgebot und somit den zentralen Prüfkriterien von Landesraumordnung
und Landesentwicklung im laufenden Zielabweichungsverfahren.
12.)
Darüber hinaus sind Auswirkungen auf die von der GMA nicht
thematisierten, aber planungsrechtlich abgesicherten Entwicklungsoptionen an
zentralen Versorgungsbereichen auf Basis der worst case-Überlegungen
offensichtlich. Sowohl das Herold-Center als auch der Schmuggelstieg und der
Glashütter Markt befinden sich in einem planungsrechtlich bereits gesicherten Erweiterungsprozess,
um die Funktionalität des Angebotes in Norderstedt zu sichern. Darüber hinaus
werden am Schmuggelstieg seit 2010 attraktivitätssteigernde Maßnahmen im Rahmen
der städtebaulichen Gesamtmaßnahme nach dem Städtebauförderungsprogramm Aktive
Stadt- und Ortsteilzentren durchgeführt. Sowohl die Erweiterungsmaßnahmen als
auch die PACT-Maßnahmen würden durch die Wettbewerbsverschärfung durch die
Dodenhof-Erweiterung gefährdet.
13.)
Insgesamt ist die Dodenhof-Erweiterung in der vorgelegten Form nicht mit
dem § 34 Abs. 3 BauGB zu vereinbaren: ‚Von Vorhaben wie der jetzt erneut beantragten
Dodenhof-Erweiterung dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.‘
Zudem widerspricht die Erweiterung den Zielen der Raumordnung und des
Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010, da es zu einer
Beeinträchtigung des Norderstedter Verkaufsflächenbestandes sowie der
planungsrechtlich abgesicherten Erweiterungen im Stadtgebiet von Norderstedt
kommen wird und das Kongruenzgebot sowie das städtebauliche Integrationsgebot
verletzt sind.
14.)
Die in ANLAGE 2 beigefügte gutachterliche Expertise des Büros BBE,
Hamburg, ist als Anlage Bestandteil der Stellungnahme der Stadt Norderstedt.
Abstimmung: Die geänderte Vorlage wurde mit 13
Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen einstimmig beschlossen.