Sitzung: 18.06.2020 Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr
Beschluss: Kenntnisnahme
Vorlage: M 20/0222
Sachverhalt:
Die Verwaltung wurde in o.g.
Sitzung gebeten zu prüfen, in wie weit auf den Hauptverkehrsstraßen der Stadt,
nach Erneuerung der Fahrbahndecken die Leitlinien wieder aufgebracht werden
sollen.
Antwort der Verwaltung
Grundsätzlich gilt:
Die Entscheidung zum
Aufbringen von sog. „Mittelstrichen“, in der Fachsprache Leitlinien genannt,
ist der Bedeutung nach keine Frage kommunalrechtlicher Gestaltungsfreiheit oder
auch nur kosmetischer Verdeutlichung im Straßenverkehr noch Entscheidung des
Trägers der Straßenbaulast.
Es bedarf vielmehr der
individuellen, verkehrsbehördlichen Anordnung für jeden Straßenbereich, in dem
eine Leitlinie aufgebracht wird. Guten Gewissens hat sich die Entscheidung an
den örtlichen Gegebenheiten der Straße im Abgleich mit den
Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung zu orientieren. Es wäre im
Sinne der Verkehrssicherheit fatal, den grundsätzlichen politischen Appell für
ein Verkehrsinstrument zum ungeprüften Grundsatz der Verwaltungspraxis zu
machen, noch an Maßstäbe zu knüpfen, die mit Begrifflichkeiten wie
„Hauptstraßen“ sachfremd sind.
Im Einzelnen
Dort wo innerorts Straßen mit
nur 2 Fahrstreifen existieren, die Geschwindigkeit max. 50 km/h beträgt und
bauliche Elemente wie Rinnen und Borde ausreichend erkennbar sind, ist es
heutzutage bei den Verkehrsexperten und beteiligten Dienststellen
Erkenntnislage, auf Leitlinien unbedingt zu verzichten, um so zu einer
angemessenen Geschwindigkeitswahl beizutragen. Denn eine Mittelmarkierung führt
durch die optisch klare Fahrstreifenaufteilung zu dem unschönen Effekt, dass
vermehrt schneller gefahren wird. Mithin sich die Fahrzeugführer weniger am
Kantstein und an dem Gegenverkehr orientieren, so dass vermehrt innerorts
Geschwindigkeitsüberschreitungen entstehen.
Von daher ist es Stand der
Technik, dass Mittelmarkierungen im innerstädtischen Bereich unter diesen
Bedingungen nicht mehr aufgebracht werden. Dieser Auffassung hat sich die
Verkehrsaufsicht bisher auch angeschlossen.
Im Übrigen ist die
Verkehrsaufsicht durch den zu Rate gezogenen Markierungsexperten Dipl.-Ing.
Mario Anders, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen und
Verkehrsakademie Dortmund, darauf hingewiesen worden, dass das Kriterium der
KFZ-Stärke/Tag von 5.000 Fahrzeugen seine Bedeutung verlieren wird. Es davon
auszugehen ist, dass noch in diesem Jahr dieser Punkt in der Richtlinie
wegfällt. Stattdessen werde die neue Richtlinie (Richtlinie für die Markierung
von Straßen- RMS) vorsehen, dass die Anwendung von Leitlinie aus Gründe der
Verkehrssicherheit oder des Verkehrsablaufs unbedingt auf das erforderliche Maß
beschränkt werde. Dieses bestätigte auch die Forschungsgesellschaft nochmals
der Stadt Norderstedt.
Zum Friedrichsgaber Weg
Für den Friedrichsgaber Weg
ist unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Gegebenheiten und nach
sachgerechter Interessensabwägung eine Leitlinie nicht im Sinne des § 45 Abs. 9
Straßenverkehrsordnung und der RMS zwingend geboten und darf dann auch nicht
durch die Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden.
Es gilt eine Geschwindigkeit
von max. 50 km/h mit einer zweistreifigen Straße in Ortslage. Die entsprechende
Orientierung für die Fahrzeugführer ist baulich durch Borde vorgegeben.
Zusätzlich ist der betreffende Bereich nur einseitig bebaut und die
gegenüberliegende Seite weist einen ländlichen Charakter auf. Ein Aspekt, der
in Verbindung mit einer Leitlinie erfahrungsgemäß ebenso zu überhöhten
Geschwindigkeiten verleitet. Ansonsten führt auch die Beschaffenheit und
Beleuchtung der Straße sowie die Streckenführung zu keiner abweichenden
Bewertung.
Unter dem Gesichtspunkt der
Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses kann es deshalb auch zu keiner
anderen Entscheidung kommen.
Dies ist auch wesentlicher
Tenor im Protokoll der Regelverkehrsschau 2016 gewesen und wird u.a. auch durch
die Auffassung des ADAC gestützt.
Auch die Stellungnahmen der
Polizei und des Straßenbaulastträgers ergab keine gegenteilige Meinung.
Fazit:
Oberstes
Entscheidungskriterium der Verkehrsbehörde ist immer die Verkehrssicherheit und
somit die Vermeidung von Unfällen. Verkehrsexperten forschen zum
Unfallgeschehen und lassen ihre Erkenntnisse in Verordnungen und Richtlinien
einfließen, die dann wiederum sorgfältig von den Verkehrsbehörden anzuwenden
sind.
Natürlich erscheint im ersten
Moment die Leitlinie, die auf Hauptverkehrsstraßen ein gewohntes Bild für den
Verkehrsteilnehmer darstellt, als das sichere Mittel der Wahl.
Bei der Beurteilung sollten
aber die neusten Erkenntnisse der Forschung und die daraus abgeleiteten
Richtlinien unbedingt von der Verkehrsbehörde angewendet werden.
Nur allein das Abstellen auf
das Kriterium „Hauptverkehrsstraße“ reicht da nicht mehr aus.
Daher wird seitens der
Verkehrsaufsicht Norderstedt stets sorgfältig geprüft, inwieweit Leitlinien an
bestimmten Örtlichkeiten zu Verkehrssicherheitsgründen beitragen oder sogar aus
den selbigen weggelassen werden sollten. Letzteres ist beim Friedrichsgaber Weg
der Fall.