Sitzung: 03.09.2020 Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr
Beschluss: Kenntnisnahme
Vorlage: M 20/0327
In der Sitzung des
Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 20.08.2020 bittet die FDP
Fraktion die Verwaltung um schriftliche Beantwortung folgender Fragen:
- Sind die momentan in der Stadt Norderstedt für
die Fahrbahnmarkierung verwendeten Materialien geeignet, um autonomes
Fahren in der Zukunft zu gewährleisten?
- Gibt es auf dem Markt heute bereits
„intelligente“ Materialien, die in
Fahrbahnmarkierungen die notwendigen Daten für autonome Fahrsysteme
liefern können?
Antwort zu Frage 1
Die Frage, welche
(und ggf. wie viel) zusätzliche Straßeninfrastruktur zukünftig für das autonome
Fahren benötigt wird, ist u. a. aktueller Forschungsgegenstand
branchenübergreifender F&E-Projekte und kann daher zum jetzigen Zeitpunkt
nicht abschließend / eindeutig beantwortet werden. Das seitens der Stadt
Norderstedt geplante Personenbeförderungsprojekt (autonom verkehrender ÖPNV im
Glashütter Damm) ist auf den Einsatz automatisierter Kleinbusse ausgerichtet,
welcher direkt ohne Lenkrad und Bremspedal geplant wurde und somit der
Fahrzeugbau schon für die nächsten Schritte bis zur vollständigen Autonomie
konzipiert wird – anders als bei der zunehmenden Automatisierung von Pkw für
den Individualverkehr, welche zurzeit noch einen anderen Entwicklungspfad
darstellen.
Die automatisierten
Busse verfügen (je nach Modell leicht variiert) über verschiedene Sensoren bzw.
Sensorkombinationen, z. B. GPS-Empfänger, Ultraschall, Radumlaufzähler,
Laserscanner, Radar und Kameras. Die Umgebung wird mit Hilfe dieser Sensorik
kontinuierlich erfasst, wodurch die Orientierung, Lokalisierung und Reaktion im
Straßenverkehr automatisiert möglich ist. Das Fahrzeugsystem muss immer die
genaue Position „kennen“ und vergleicht zu diesem Zweck stets den -Istzustand-
mit dem -Sollzustand- (z. B. über den ermittelten GPS-Standort oder per Laser
erkannte Orientierungspunkte auf einer gespeicherten 3D-Karte). Dabei muss aus
Sicherheitsgründen stets eine Redundanz der Eingangssignale gewährleistet sein,
um den Ausfall eines Signales ausgleichen zu können. Dies gilt für Notfälle,
aber auch für kurze geplante Abschnitte, auf denen bspw. (immer oder zeitweise)
kein GPS-Signal empfangen werden kann.
Fahrbahnmarkierungen
werden aktuell von der Steuerungssoftware der bisher aktiven Firmen EasyMile
und NAVYA noch nicht genutzt, sollen aber zukünftig zusätzlich – als eine weitere
Eingangsgröße – zur Orientierung eine Rolle spielen. Der Einbezug dieser sog.
„Ground-Based-Lokalisierung“ befindet sich aktuell noch in Entwicklung.
Markierungen mit einem guten Kontrast zur Fahrbahn werden als Alternative bei
fehlenden Häuserkanten (welche Lidar-Sensoren als Referenzpunkte für die
Positionsbestimmung nutzen) zum Tragen kommen. Als zentraler Baustein eignen
Markierungen sich voraussichtlich nicht, weil die Zuverlässigkeit bei Schnee,
Blattwerk, Verschmutzung etc. nicht überall und andauernd gewährleistet werden
kann.
Hinsichtlich des
Pkw-Entwicklungspfades, bei dem aktuell vor allem Assistenzsysteme auf
Autobahnen einen Schwerpunkt bilden, sind Fahrbahnmarkierungen vermutlich
relevanter, da auf Autobahnen höhere Geschwindigkeiten gefahren werden und es
dort kaum (Rand-)Bebauung gibt. Für Anwendungen, wie „Spurhalte- oder
wechsel-Assistenten“ benötigt dieses System (je nach Hersteller) zur
Orientierung in jedem Fall Fahrbahnmarkierungen und/oder richtet sich zudem an
einem vorausfahrenden Wagen aus. Die notwendigen Daten zur aktuellen
Fahrzeugposition, im Verhältnis zu den Fahrspuren, liefern zudem Kamera-,
Radar- und/oder Lidar-(Laser-)Sensoren. Die o. g. Kleinbusse sind allerdings
überwiegend auf Mischverkehrsflächen im innerstädtischen Einsatz. Dort müssen
in der Regel viel komplexere Verkehrsszenarien bewältigt (Rad und
Fußgängerverkehr kommt hinzu) werden, als auf Schnellstraßen oder Autobahnen.
Deswegen lässt sich
zusammengefasst sagen, dass die in Norderstedt (bisher) verwendeten
Fahrbahnmarkierungen vermutlich eine (von vielen) Orientierungshilfen für das
autonome Fahren darstellen bzw. für diesen Zweck hilfreich sind. Ein bestimmtes
Material ist nicht zwingend zu verwenden, sondern es muss ein deutlicher
Kontrast (zur Fahrbahn) für das „autonome“ Fahrzeug erkennbar sein.
Antwort zu Frage 2
Der
Multitechnologiekonzern 3M hat in der Tat bereits Lösungen erarbeitet, um
Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen mit maschinenlesbaren Daten (somit um
intelligenten Systeme erweitert) zu versehen. Diese neuartige Technologie soll
selbstfahrenden Autos eine bessere Orientierung ermöglichen und dadurch die
Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen. Getestet werden diese Materialien
bereits.
Unter anderem hat
„3M“ eine Teststrecke in Michigan (USA) eingerichtet. Die Forschungsergebnisse
wurden im September 2017 auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in
Frankfurt vorgestellt.
Über Teststrecken
in Deutschland sind momentan noch keine aktuellen Medienberichte zu finden. Es
ist jedoch anzunehmen, dass die o. g. Technologie mittelfristig zum praktischen
Einsatz kommen wird.