Beschluss: Kenntnisnahme

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 20.08.2020 bittet die FDP Fraktion die Verwaltung um schriftliche Beantwortung folgender Fragen:

 

  1. Sind die momentan in der Stadt Norderstedt für die Fahrbahnmarkierung verwendeten Materialien geeignet, um autonomes Fahren in der Zukunft zu gewährleisten?
  2. Gibt es auf dem Markt heute bereits „intelligente“ Materialien, die in Fahrbahnmarkierungen die notwendigen Daten für autonome Fahrsysteme liefern können?

 

Antwort zu Frage 1

 

Die Frage, welche (und ggf. wie viel) zusätzliche Straßeninfrastruktur zukünftig für das autonome Fahren benötigt wird, ist u. a. aktueller Forschungsgegenstand branchenübergreifender F&E-Projekte und kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend / eindeutig beantwortet werden. Das seitens der Stadt Norderstedt geplante Personenbeförderungsprojekt (autonom verkehrender ÖPNV im Glashütter Damm) ist auf den Einsatz automatisierter Kleinbusse ausgerichtet, welcher direkt ohne Lenkrad und Bremspedal geplant wurde und somit der Fahrzeugbau schon für die nächsten Schritte bis zur vollständigen Autonomie konzipiert wird – anders als bei der zunehmenden Automatisierung von Pkw für den Individualverkehr, welche zurzeit noch einen anderen Entwicklungspfad darstellen.

 

Die automatisierten Busse verfügen (je nach Modell leicht variiert) über verschiedene Sensoren bzw. Sensorkombinationen, z. B. GPS-Empfänger, Ultraschall, Radumlaufzähler, Laserscanner, Radar und Kameras. Die Umgebung wird mit Hilfe dieser Sensorik kontinuierlich erfasst, wodurch die Orientierung, Lokalisierung und Reaktion im Straßenverkehr automatisiert möglich ist. Das Fahrzeugsystem muss immer die genaue Position „kennen“ und vergleicht zu diesem Zweck stets den -Istzustand- mit dem -Sollzustand- (z. B. über den ermittelten GPS-Standort oder per Laser erkannte Orientierungspunkte auf einer gespeicherten 3D-Karte). Dabei muss aus Sicherheitsgründen stets eine Redundanz der Eingangssignale gewährleistet sein, um den Ausfall eines Signales ausgleichen zu können. Dies gilt für Notfälle, aber auch für kurze geplante Abschnitte, auf denen bspw. (immer oder zeitweise) kein GPS-Signal empfangen werden kann.

 

Fahrbahnmarkierungen werden aktuell von der Steuerungssoftware der bisher aktiven Firmen EasyMile und NAVYA noch nicht genutzt, sollen aber zukünftig zusätzlich – als eine weitere Eingangsgröße – zur Orientierung eine Rolle spielen. Der Einbezug dieser sog. „Ground-Based-Lokalisierung“ befindet sich aktuell noch in Entwicklung. Markierungen mit einem guten Kontrast zur Fahrbahn werden als Alternative bei fehlenden Häuserkanten (welche Lidar-Sensoren als Referenzpunkte für die Positionsbestimmung nutzen) zum Tragen kommen. Als zentraler Baustein eignen Markierungen sich voraussichtlich nicht, weil die Zuverlässigkeit bei Schnee, Blattwerk, Verschmutzung etc. nicht überall und andauernd gewährleistet werden kann.

 

Hinsichtlich des Pkw-Entwicklungspfades, bei dem aktuell vor allem Assistenzsysteme auf Autobahnen einen Schwerpunkt bilden, sind Fahrbahnmarkierungen vermutlich relevanter, da auf Autobahnen höhere Geschwindigkeiten gefahren werden und es dort kaum (Rand-)Bebauung gibt. Für Anwendungen, wie „Spurhalte- oder wechsel-Assistenten“ benötigt dieses System (je nach Hersteller) zur Orientierung in jedem Fall Fahrbahnmarkierungen und/oder richtet sich zudem an einem vorausfahrenden Wagen aus. Die notwendigen Daten zur aktuellen Fahrzeugposition, im Verhältnis zu den Fahrspuren, liefern zudem Kamera-, Radar- und/oder Lidar-(Laser-)Sensoren. Die o. g. Kleinbusse sind allerdings überwiegend auf Mischverkehrsflächen im innerstädtischen Einsatz. Dort müssen in der Regel viel komplexere Verkehrsszenarien bewältigt (Rad und Fußgängerverkehr kommt hinzu) werden, als auf Schnellstraßen oder Autobahnen.

 

Deswegen lässt sich zusammengefasst sagen, dass die in Norderstedt (bisher) verwendeten Fahrbahnmarkierungen vermutlich eine (von vielen) Orientierungshilfen für das autonome Fahren darstellen bzw. für diesen Zweck hilfreich sind. Ein bestimmtes Material ist nicht zwingend zu verwenden, sondern es muss ein deutlicher Kontrast (zur Fahrbahn) für das „autonome“ Fahrzeug erkennbar sein.

 

Antwort zu Frage 2

 

Der Multitechnologiekonzern 3M hat in der Tat bereits Lösungen erarbeitet, um Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen mit maschinenlesbaren Daten (somit um intelligenten Systeme erweitert) zu versehen. Diese neuartige Technologie soll selbstfahrenden Autos eine bessere Orientierung ermöglichen und dadurch die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen. Getestet werden diese Materialien bereits.

 

Unter anderem hat „3M“ eine Teststrecke in Michigan (USA) eingerichtet. Die Forschungsergebnisse wurden im September 2017 auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt vorgestellt.

 

Über Teststrecken in Deutschland sind momentan noch keine aktuellen Medienberichte zu finden. Es ist jedoch anzunehmen, dass die o. g. Technologie mittelfristig zum praktischen Einsatz kommen wird.