Beschluss: noch nicht festgelegt

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Deutschland zählt im internationalen Vergleich zu denjenigen Staaten mit der höchsten Dichte an Kraftfahrzeugen bezogen auf die Bevölkerung. Die PKW-Dichte übertrifft hier diejenige in nahezu allen anderen Staaten die­ser Welt. Nur Italien und Luxemburg verzeichnen dabei noch höhere Werte! [1]. Daraus resultiert eine hohe und ständig weiter steigende Verkehrsleistung, die im Jahr 1998 bei 939,5 Mrd. Personenkilometer lag [2]. Auch im Vergleich zu diesem ohnehin bereits hohen Stand nimmt Norderstedt einen Spit­zenplatz ein:

§         Am 1.1.2001 waren in Norderstedt 54.921 Kraftfahrzeuge gemeldet [3]. Im ver­gan­ge­nen Jahr ist der KFZ-Bestand demnach mit 5,99% im Vergleich zum Vorjahres­be­stand erneut deutlich angewachsen. Der bundesweite Zuwachs im gleichen Zeitraum betrug demgegen­über nur 0,23% [4, eigene Berechnungen]. Seit 1986 hat die Norderstedter Bevölkerung um 7,5% zugenommen [5], die Zahl aller in Nor­derstedt zugelassenen KFZ hingegen um 52,93% [6].

§         Bei 72.680 in Norder­stedt lebenden Personen (Stand: 1.1.2001) [5] ist eine Dichte von 755 KFZ pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (EW) erreicht, einer der höchsten Werte in Deutschland und weltweit.

Durch folgende Vergleiche lassen sich diese Zahlen besser einordnen:

§         Der bundesweite Durchschnitt lag Ende 1999 bei 617 KFZ / 1.000 EW [7]. Nor­der­stedt übertrifft den Bundesdurchschnitt beim Fahrzeugbestand also um mehr als 22%.

§         Weltweit ergibt sich bei ca. 670 Mio. KFZ und einer Weltbevölkerung von 6,048 Mrd. Menschen ein Verhältnis von etwa 110 KFZ / 1.000 EW [8, eigene Berech­nungen]. Norderstedt liegt damit bei der KFZ-Dichte um 686 % über dem welt­weiten Durch­schnitt.

Die Umweltauswirkungen des Verkehrs haben in verschiedenen Bereichen längst beachtliche Dimensionen erreicht. Die folgenden Beispiele weisen schlaglichtartig auf einige der bekann­ten Pro­bleme hin:

§         Für mehrere Luftschadstoffe ist der Verkehr in Deutschland zur bedeutsamsten Quelle geworden. So werden Luftverunreinigungen durch Kohlenmonoxid (CO) zu 54,9%, durch Stickoxide (NOx) sogar zu 60,2% vom Verkehr verursacht [2].

§         Der Verkehrssektor trägt in Deutschland inzwischen mit 20,4% (1997) zu den Emis­sionen des Treibhausgases CO2 bei. Gegenüber seinem 13,7%igen Anteil im Jahr 1975 ist das sowohl ein erheblicher absoluter Zuwachs als auch die mit Abstand größte relative Steige­rung (um 48,9%) [2].

§         Beim Treibhausgas Distickstoffoxid (N2O), dessen Treibhauseffekt 150-fach stär­ker ist als der von CO2 [9], fällt der Anstieg von 1,3% im Jahr 1975 auf 9,3% im Jahr 1997 noch hö­her aus. Hier ist der Verkehrssektor der einzige Bereich, in dem über diesen Zeitraum Zu­wächse zu verzeichnen waren [2].

§         Der Anteil des Verkehrs am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland steigt konti­nuierlich weiter an: von 19,8% im Jahr 1975 auf 28,3% im Jahr 1998. Absolut gesehen hat sich der Energieverbrauch im Verkehrssektor damit in die­sen 23 Jahren beinahe verdop­pelt [2].

§         Im Jahr 2000 wurden in Deutschland 7.487 Menschen durch Straßenverkehrs­unfälle getö­tet und 503.959 Menschen so schwer verletzt, dass sie in die amt­li­chen Statistiken Ein­gang gefunden haben [10].

§         Durch Straßenverkehrslärm werden erhebliche Teile der Bevölkerung gesund­heit­lich be­lastet. Tagsüber waren 1997 etwa 15,6% der Bevölkerung in den alten Bun­des­ländern Mittelungspegeln von mindestens 65 dB(A) ausgesetzt, die als Schwelle für eine Gesund­heitsgefährdung eines “normalen Durchschnittsmenschen” gelten. Nachts liegt diese Schwelle auf Grund des Ruhebedürfnisses von Menschen niedriger; dann müs­sen sogar 30,9% mit Mittelungspegeln von 50dB(A) und mehr leben [11]. Ab­schät­zungen gehen davon aus, dass in Folge der Belastungen durch Straßenver­kehrs­lärm jährlich etwa 3.000 Menschen in Deutschland sterben [12].

Etwa 70% der deutschen Bevölkerung fühlt sich durch Straßenverkehrslärm be­lästigt. Damit ist der Straßenverkehr mit deutlichem Abstand vor dem Flugverkehr (42%) die weitaus bedeutsamste Quelle für Lärmbelästigungen in Deutschland [11].

Der Verkehr gilt als der bedeutendste Krankheitsauslöser der technischen Umwelt überhaupt [13]. Die immer weiter steigende Verkehrsleistung führt zu einer Verschärfung der Pro­bleme. Zur Begrenzung der gesundheitlichen Schädigungen forderten deshalb 1998 die beim Forum “Gesundheit und Umwelt” der Bundesärztekammer versammelten Mediziner Einschränkun­gen des Straßenverkehrs, eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens und die Einführung niedriger Tempolimits [14].

Diese und weitere dem Verkehr zuzurechnenden Probleme haben ihren Preis. Der Verkehr ruft erhebliche volkswirtschaftliche Kosten hervor, die nicht durch entspre­chende Einnahmen (Steuern, Versicherungsprämien usw.) abgedeckt werden. Für den motori­sierten In­dividual­verkehr (MIV) in Deutschland, der mit dem PKW-Verkehr im Wesentlichen gleichgesetzt werden kann, benennt eine Studie [15] Zahlen für das Jahr 1998; demnach belau­fen sich diese Kosten für den MIV auf 212,523 Mrd. DM. Bereinigt um die Steuerein­nahmen aus dem PKW-Verkehr (1998: 39,454 Mrd. DM netto) hat der MIV die All­gemeinheit in Deutschland dem­nach 173,069 Mrd. DM gekostet. Auf dieser Basis lässt sich weiter rechnen:

§         Bei 82,029 Millionen Menschen, die in Deutschland lebten [4], errechnen sich für den MIV bzw. PKW-Verkehr durchschnittliche Kosten von 5,78 DM pro Person und Tag – und zwar vom Säugling bis zum Greis, unabhängig davon ob sie nun Auto fah­ren oder nicht. Bei der Interpretation dieser Zahl ist zu beachten, dass 24,2% al­ler Haushalte in Deutschland gar nicht über ein Auto verfügen [2]. Sie müssen deshalb nur die Nachteile des PKW-Verkehrs ertragen, ohne von dessen Vortei­len profitieren zu können.

§         Für eine Stadt wie Norderstedt summieren sich die ungedeckten volkswirtschaftli­chen Kosten demnach auf einen Betrag von mehr als 400.000,-- DM täglich. Diese Zahl ist vor­sichtig kalkuliert, schon allein weil der KFZ-Bestand in Norderstedt weit über dem (der Rechnung zu Grunde gelegten) Durchschnitt liegt.

Der Verkehrssektor stellt mithin eines der großen Handlungsfelder dar, die erhebliche öko­logische und damit zugleich gesellschaftliche Probleme bereiten. Sowohl das bereits erreichte hohe Bestandsniveau bei Kraftfahrzeugen als auch das weiterhin unge­bremste Wachstum tra­gen zum besonders vordringlichen Handlungsbedarf bei.

In diesen Zusammenhang ist der Aufruf der EU-Kommission einzuordnen, am 22.9. eines jeden Jahres in allen europäischen Kommu­nen einen autofreien Tag durchzuführen. “Ziel des autofreien Tages ist es, den Bür­gerinnen und Bürgern unter dem Stichwort “stadtverträgliche Mobilität” die Möglich­keit zu bieten, umweltfreund­liche Fortbewe­gungsmöglichkeiten aus­zuprobieren und Anregungen zu vermitteln, wie sich Alltags­wege auch ohne Auto bewältigen lassen.” [16]

Autofreie Tage zeichnen sich dadurch aus, dass sie Angebote darstellen. Es gibt an diesem Tag kein Verbot des Autoverkehrs, sondern es bleibt weiterhin allen Men­schen freige­stellt, ob sie ihr Auto nutzen wollen oder nicht. Am autofreien Tag blei­ben lediglich bestimmte Straßen bzw. Teile des Stadtgebietes für eine begrenzte Zeit frei vom Autoverkehr. Die Städte können dabei selbst bestimmen, wie groß dieser Bereich sein soll - und machen davon im Interesse ihrer Bevölkerung zum Teil sehr intensiv Gebrauch (nach Angaben des Klimabündnisses war 1/3 der gesamten Stadt­flä­che von Paris im letzten Jahr an diesem Tag autofrei).

Zumin­dest an diesem einen Tag im Jahr soll die Bevölkerung – im Kontrast zu den übrigen 364 Tagen im Jahr - erleben dürfen,

§         dass Mobilität keineswegs nur mit Auto-Mobilität gleichzusetzen ist, zumal die Hälfte aller mit dem Auto zurückgelegten Wege nach wie vor kürzer als 3 km ist [16],

§         wie angenehm städtisches Leben ohne den störenden und gesundheitsschädi­gen­den Straßen­verkehrslärm sein kann,

§         wie Straße als öffentlicher Raum auch anders – d.h. für viele Menschen: attrakti­ver - ge­nutzt werden kann.

Das Angebot eines solchen Tages ersetzt nicht die generelle Notwendigkeit, die ge­gen­wärtig vorhandenen Probleme des Verkehrssektors zu entschärfen. Dazu wäre ein viel komplexeres Han­deln erforderlich, das weit über den Verkehrsbereich hinaus­geht und - unter anderem - stadtplanerische Aspekte, Ausprägungen unseres Wirtschaftssystems, steuerliche Fragen, aber auch “weiche Faktoren” wie Statusdenken und Imagesymbole berücksichtigen muss. Ein der­art gestalteter auto­freier Tag ist daher richtigerweise als ein Symboltag einzuordnen, der dazu beitra­gen soll, für die notwendi­gen Veränderungen eine gesellschaftliche Akzeptanz bei den Betrof­fenen zu erzeu­gen.

Die gesellschaftliche Akzeptanz für derart gestaltete autofreie Tage ist hoch. In Ita­lien und Frankreich, wo die Idee Ende der Neunziger Jahre entstand, haben Meinungsumfragen eine Zustim­mung von 85% erge­ben [16], häufig verbunden mit dem Wunsch, dieses Angebot nicht nur auf einen Tag im Jahr zu beschränken. Auch in Norderstedt waren die Re­aktionen auf den ersten autofreien Tag im letzten Jahr überwiegend positiv.

Dabei steht die Beteiligung der Stadt am autofreien Tag am 22.9. keineswegs ande­ren Initiati­ven entgegen, die Verkehrsbelastungen in Norderstedt auf ein verträgli­ches Ausmaß zu redu­zieren. Das schließt ausdrücklich die Möglichkeit ein, auch Ak­tionen wie die unter dem Motto “Mobil ohne Auto!” von den Umweltverbänden ange­regten autofreien Sonntage zu unterstüt­zen.

 

Quellenangaben:

[1]   Statistisches Bundesamt (Hrsg.) – 2000 – Statistisches Jahrbuch 2000 für das Ausland. 399 S., Stutt­gart.

[2]   Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.) – 1999 – Verkehr in Zahlen 1999. – 28. Jahrgang, 332 S., Hamburg.

[3]        Fahrzeug­be­stands­­statistik des Kraftfahrt-Bundesam­tes.

[4]   Statistisches Bundesamt (Hrsg.) – 2000 – Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutsch­land. – 747 S., Stuttgart.

[5]        Ein­woh­ner­meldeamt der Stadt Norderstedt.

[6]        Eigene Berechnungen auf Grundlage der Daten des STEP 2010 sowie des Ein­wohnermeldeam­tes der Stadt Norderstedt.

[7]   Harenberg, B. (Hrsg.) – 2000 – Aktuell 2001. – 756 S., Dortmund.

[8]        von Baratta, M. – 2000 – Der Fischer Weltalmanach 2001. – 1407 S., Frank­furt am Main.

[9]   Enquete-Kommission des 11. Deutschen Bundestages “Vorsorge zum Schutz der Erdat­mo­sphäre” – 1989 - Schutz der Erdatmosphäre. Eine internationale Herausforderung. – 2. Auf­lage, 618 S., Bonn.

[10]   Statistisches Bundesamt, zitiert nach Rundschreiben des Deutschen Städte- und Gemeindebun­des Nr. 8 vom 23.2.2001.

[11]      Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen – 1999 – Umwelt und Ge­sundheit. Risi­ken rich­tig einschätzen. Sondergutachten. – 351 S..

[12]      Anlage 7 zum Protokoll des Ausschusses für Umweltschutz vom 19.7.2000.

[13]      Die Pathologie des Kfz-Verkehrs. – in: Ökologische Briefe Nr. 17, vom 26.4.1995.

[14]      Ärzte für Wende in der Verkehrspolitik. – in: Segeberger Zeitung vom 25.11.1998.

[15]      Stefan Lieb – 2000 – Verkehrs”kosten”. VERKEHR KOMPAKT Nr. 4. – 28 S., Berlin.

[16]      Klima-Bündnis (Hrsg.) - In die Stadt – ohne mein Auto!” Europaweiter Autofreier Tag. Freitag, den 22.September 2000, Samstag, den 22. September 2001. – Faltblatt, 6 S., Frankfurt.