Beschluss: einstimmig beschlossen

Abstimmung: Ja: 13, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

so geänderter Beschluss:

 

1.)

Das Einzelhandelsangebot der Stadt Norderstedt besitzt bereits heute im Vergleich zu anderen Mittelzentren - insbesondere dem konkurrierenden Mittelzentrum Kaltenkirchen - eine unterdurchschnittliche Verkaufsflächenausstattung (1,54 m²/EW in Norderstedt gegenüber 4,50 m²/EW in Kaltenkirchen) sowie eine unterdurchschnittliche Umsatz-Kaufkraft-Relation (92 % in Norderstedt gegenüber 209 % in Kaltenkirchen).

Als Folge daraus lässt sich einerseits bereits heute ein erhöhter Entwicklungsbedarf der Stadt Norderstedt zur Sicherung der zentralörtlichen Funktionen ableiten.

Andererseits würde die beantragte Erweiterung in Kaltenkirchen zu einer weiteren Verschärfung der Wettbewerbsungleichgewichte führen und den Bestand sowie die Entwicklungschancen in Norderstedt gefährden. Dies gilt insbesondere für die aktuellen Bestrebungen für die bereits seit Jahren planungsrechtlich gesicherte und dringend notwendige Süd-Erweiterung des Herold-Centers.

 

2.)

Die Stadt Norderstedt weist angesichts ihrer historischen Entwicklung als Zusammenschluss von vier Gemeinden zudem eine besondere Einzelhandelsstruktur auf. In den vier Ursprungsgemeinden haben sich Quartierszentren entwickelt, die zusammen mit den beiden Hauptzentren Norderstedt-Mitte und Herold-Center die zentralen Versorgungsbereiche bilden. Sämtliche zentralen Versorgungsbereiche und ihre Entwicklungsoptionen müssen hinsichtlich der Auswirkungen der Dodenhof-Erweiterung erfasst und untersucht werden. Das Herold-Center, als Hauptzentrum mit Schwerpunkt Einzelhandel, übernimmt dabei gesamt-städtische Versorgungsfunktionen. Deshalb steht das Herold-Center als herausgehobener gesamt-städtischer Versorgungsbereich in besonderer Weise unter dem Schutz der entsprechenden raumplanerischen und sonstigen planungsrechtlichen Bestimmungen. Eine Bestandsgefährdung und Entwicklungsbehinderung des Herold-Centers durch die Dodenhof-Erweiterung hätte nachhaltig schädliche Auswirkungen auf die Funktionalität des Einzelhandels in der Stadt Norderstedt insgesamt. Dabei unterliegt das Herold-Center bereits seit Jahren einem zusätzlich starken Wettbewerbsdruck durch das benachbarte Alster-Einkaufs­zentrum (AEZ) in Hamburg.

 

3.)

Gemäß der beantragten Erweiterung würde allein schon die Bekleidungs-, Schuh- und Sportfläche des Dodenhof-Hauses in Kaltenkirchen 11.200 m² aufweisen. Das entspricht ca. 73 % der entsprechenden Verkaufsfläche des Herold-Centers in diesem Segment. Das BVerwG (BVerwG 4C7.07) sieht in diesem Verkaufsflächengrößenvergleich zwischen einem Angebot im zentralen Versorgungsbereich und einem Wettbewerbsstandort außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs bereits ein hinreichend aussagekräftiges Indiz dafür, dass es zu schädlichen Auswirkungen für den Anbieter im zentralen Versorgungsbereich kommen wird.

 

4.)

Im Flächennutzungsplan der Stadt Norderstedt 2020 wird darüber hinaus eine Vielzahl von einzelhandelsrelevanten Planvorhaben aufgeführt, die die bestehenden Versorgungsdefizite beheben und die Funktionalitäten sichern sollen. Dies gilt nicht nur für die Erweiterung des Herold-Centers, die bereits seit längerer Zeit planungsrechtlich gesichert und bekannt sein sollte, jedoch in der GMA-Analyse im Auftrag von Dodenhof nicht enthalten und somit nicht bewertet wurde. Die Wettbewerbsfolgen einer Dodenhof-Erweiterung in den zentren-relevanten Warengruppen werden sich negativ auf die Entwicklungsziele für den Einzelhandel des Flächennutzungsplanes 2020 der Stadt Norderstedt auswirken. Parallel dazu sind auch die attraktivitätssteigernden Maßnahmen (im Rahmen der städtebaulichen Gesamtmaßnahme nach dem Städtebauförderungsprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) und für Norderstedt-Mitte von den Auswirkungen der weiteren Attraktivitätssteigerung des Dodenhof-Standortes in Kaltenkirchen betroffen.

 

5.)

Die verschiedenen Einzelhandelsentwicklungsbereiche der Stadt Norderstedt werden in der GMA-Analyse zur Dodenhof-Erweiterung nicht thematisiert. Neben der Herold-Center-Erweiterung gilt das für die Schmuggelstieg-Entwicklung und die Neupositionierung des Angebotes am Glashütter Markt. Insbesondere die planungsrechtlich gesicherten Vorhaben am Herold-Center sowie am Schmuggelstieg sind zwingend in die Analyse einzubeziehen, damit eine fundierte Aussage über die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen möglich ist.

 

6.)

Es kann nicht im Sinne der Raumordnung und Landesplanung sein, dass der Bund und das Land einerseits die Stärkung von Stadt- und Ortsteilzentren zu den herausragenden kommunalen Zukunftsaufgaben zählt und neben dem finanziellen Engagement der Stadt selbst auch das Land mit erheblichen Steuergeldern wie am Schmuggelstieg (im Rahmen der städtebaulichen Gesamtmaßnahme nach dem Städtebauförderungsprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) fördert bzw. in Norderstedt-Mitte gefördert hat. Andererseits aber das Land - im Falle einer Genehmigung der dritten Erweiterung - gegen die erklärtermaßen eigenen Ziele, z.B. des Landesentwicklungsplans (LEP), verstoßen würde. Zugleich würden damit alle Bestrebungen von kommunaler und privater Seite zur Stabilisierung und Revitalisierung solcher Ortsteilzentren und fragiler Innenstadtlagen in Frage gestellt und konterkariert werden.

 

7.)

Die GMA-Analyse zur geplanten Erweiterung von Dodenhof weist an verschiedenen Stellen "mangelnde Plausibilitäten" auf. So weicht die kartografische Darstellung der Kommunen im Einzugsgebiet (S. 23f. der GMA-Analyse vom August 2011) von den Angaben zur Einwohnerzahl in den verschiedenen Zonen des Einzugsgebietes ab (S. 26 der GMA-Analyse vom August 2011). Ebenfalls nicht plausibel ist die Berechnung des relevanten Kaufkraftpotentials im Bereich Gesundheit/Körperpflege. Sowohl bei der Darstellung der Einwohnerzahlen im Einzugsgebiet als auch bei der Übersicht der relevanten Kaufkraftpotenziale ist eine differenzierte Darstellung erforderlich, um die GMA-Aussagen nachvollziehen und bewerten zu können.

 

8.)

In der GMA-Modellrechnung für die zu erwartenden Marktanteile des Erweiterungsvorhabens sind die Annahmen für die zentren-relevanten Sortimente Bekleidung, Schuhe, Sport wenig plausibel. Im deutlichen Gegensatz zur GMA-Aussage, dass das Möbelhaus einen weiteren Einzugsgebietsradius als das Modehaus anspricht, sind die Umsatzanteile des Modehauses (25 %) in der Zone I von der GMA niedriger angesetzt als beim Möbelhaus (29 %). Als Folge dieses Ansatzes werden die Modehaus-Umsätze in der Zone I zu niedrig berechnet und entsprechend die Umsatzumverteilungen mit dem Hauptwettbewerber Herold-Center zu gering ausgewiesen.

 

9.)

Angesichts der nicht plausiblen Darstellung der Einwohnerzahlen in der Zone I, der wenig aussagekräftigen Zusammenfassung von Warengruppen bei der Kaufkraftpotentialberechnung und den zu niedrigen Umsatzanteilen in Zone I sind die GMA-Aussagen zu den Umsatzumverteilungswirkungen nicht aussagekräftig und somit keine fachlich geeignete Grundlage für das laufende Zielabweichungsverfahren der Landesplanung.

 

10.)

Trotz dieser methodischen Unstimmigkeiten der Berechnungen der GMA, sind die GMA-Ergebnisse für die Stadt Norderstedt zunächst einmal auch zu bewerten: So wird von einem Umsatz der Dodenhof-Erweiterungsfläche im Bereich Bekleidung, Schuhe, Sport in der Zone 1 von 5,3 Mio. € ausgegangen (S. 40 der GMA-Analyse vom August 2011). Davon entfallen 3,79 Mio. € auf Umsatzumverteilungen mit dem Herold-Center (S. 48 der GMA-Analyse vom August 2011). Das entspricht einem Anteil von 72 %. Die GMA-Analyse unterstreicht somit trotz der oben formulierten methodischen Einschränkungen die besondere Relevanz der Dodenhof-Planungen für den Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten des Herold-Center.

 

11.)

Eine - unter worst case-Aspekten erforderliche - stärkere Berücksichtigung von Umsätzen in zentren-relevanten Warengruppen in der Zone I (Umsatzanteile in Zone I wie im Drogeriebereich) führt dazu, dass die Umverteilungsquoten bei Bekleidung, Schuhe, Sport mit 12 % und Optik, Uhren, Schmuck mit 24,7 % deutlich über dem Schwellenwert von 10 % liegen und schädliche Auswirkungen für den Bestand im zentralen Versorgungsbereich Herold-Center zu erwarten sind. Damit verstößt das Erweiterungsvorhaben der Fa. Dodenhof in der vorliegenden Form deutlich dem Beeinträchtigungsverbot, dem Kongruenzgebot sowie dem städtebaulichen Integrationsgebot und somit den zentralen Prüfkriterien von Landesraumordnung und Landesentwicklung im laufenden Zielabweichungsverfahren.

 

12.)

Darüber hinaus sind Auswirkungen auf die von der GMA nicht thematisierten, aber planungsrechtlich abgesicherten Entwicklungsoptionen an zentralen Versorgungsbereichen auf Basis der worst case-Überlegungen offensichtlich. Sowohl das Herold-Center als auch der Schmuggelstieg und der Glashütter Markt befinden sich in einem planungsrechtlich bereits gesicherten Erweiterungsprozess, um die Funktionalität des Angebotes in Norderstedt zu sichern. Darüber hinaus werden am Schmuggelstieg seit 2010 attraktivitätssteigernde Maßnahmen im Rahmen der städtebaulichen Gesamtmaßnahme nach dem Städtebauförderungsprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren durchgeführt. Sowohl die Erweiterungsmaßnahmen als auch die PACT-Maßnahmen würden durch die Wettbewerbsverschärfung durch die Dodenhof-Erweiterung gefährdet.

 

13.)

Insgesamt ist die Dodenhof-Erweiterung in der vorgelegten Form nicht mit dem § 34 Abs. 3 BauGB zu vereinbaren: Von Vorhaben wie der jetzt erneut beantragten Dodenhof-Erweiterung dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.‘ Zudem widerspricht die Erweiterung den Zielen der Raumordnung und des Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010, da es zu einer Beeinträchtigung des Norderstedter Verkaufsflächenbestandes sowie der planungsrechtlich abgesicherten Erweiterungen im Stadtgebiet von Norderstedt kommen wird und das Kongruenzgebot sowie das städtebauliche Integrationsgebot verletzt sind.

 

14.)

Die in ANLAGE 2 beigefügte gutachterliche Expertise des Büros BBE, Hamburg, ist als Anlage Bestandteil der Stellungnahme der Stadt Norderstedt.

 


Abstimmung: Die geänderte Vorlage wurde mit 13 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen einstimmig beschlossen.