Sitzung: 21.03.2001 Ausschuss für Umweltschutz
Beschluss: noch nicht festgelegt
Abstimmung: JA-Stimmen:0 NEIN-Stimmen:0 Enthaltungen:0
Vorlage: M01/0107
In der Sitzung des Ausschusses für Umweltschutz
am 17.01.2001 stellte Herrn Dr. Weinhold unter TOP 4.5, Klimaschutz, folgende
Anfragen an die Verwaltung:
1.
Welchen Anteil hat der Mensch an der
beobachteten Temperaturerhöhung?
2.
Wie hoch ist der menschliche Anteil an den
Klimagasen Wasserdampf, CO2, Methan und Lachgas (N2O) am
natürlichen Vorkommen in der Atmosphäre?
3.
Ist die Chance, den Treibhauseffekt mit den in
Kioto vereinbarten Reduzierungen zu stoppen, hoch oder niedrig?
Hierauf werden folgende Antworten gegeben:
Zu 1. und 2.:
Die durchschnittliche globale Temperatur der
Erde schwankte in den letzten Jahrmillionen zwischen 9°C und 16°C (UBA). Das
entspricht einer Temperatur, die ca. 285°C über der umgebenden Weltraumtemperatur
liegt. Für diese lebensnotwendige Temperaturdifferenz sind neben dem
Wärmerückhaltevermögen der Erdatmosphäre eine Reihe von Spurengasen verantwortlich,
die einen natürlichen Treibhauseffekt von etwa 33°C bewirken
(ENQUETE-KOMMISSION, S. 137, 140).
Das Leben auf der Erde in der uns heute
bekannten Form ist sowohl an dieses Ausmaß der Temperaturerhöhung als auch an
deren hohe Konstanz über sehr lange Zeiträume gebunden. Ähnlich wie beim
menschlichen Körper werden zu niedrige Temperaturen (Unterkühlung) als auch zu
hohe Temperaturen (Fieber) lebensgefährlich.
Zu dem natürlichen Treibhauseffekt leisten die
nachfolgend aufgeführten Stoffe derzeit den in der Tabelle angegebenen
Beitrag:
Treibhausgas |
Temperatur- |
Anteil
am natürlichen Treibhauseffekt (gerundet) |
§
Wasserdampf |
20,6°C |
62 % |
§
Kohlendioxid |
7,2°C |
22 % |
§
Ozon |
2,4°C |
7 % |
§
Distickstoffoxid |
1,4°C |
4 % |
§
Methan |
0,8°C |
2 % |
Quelle: ENQUETE-KOMMISSION (S. 141)
Davon zu unterscheiden ist der durch menschliche Aktivitäten
hervorgerufene zusätzliche (anthropogene Treibhauseffekt, der insbesondere
seit Beginn der Industrialisierung festzustellen ist. Hierfür sind
hauptsächlich folgende Stoffe verantwortlich:
Treibhausgas |
Anteil
am anthropogenen Treibhauseffekt
|
|
Im Durchschnitt der Jahre 1860 - 1980 |
Im Durchschnitt der Jahre 1980 - 1990 |
|
§
Kohlendioxid |
60 % |
50 % |
§
FCKW |
9
% |
22
% |
§
Ozon |
10
% |
7
% |
§
Methan |
14 % |
13 % |
§
Distickstoffoxid |
3
% |
5
% |
§
Wasserdampf in der Stratosphäre |
4 % |
3 % |
Quelle: ENQUETE-KOMMISSION (S. 44)
Analysen der atmosphärischen Gaszusammensetzung über die vergangenen
160.000 Jahre haben ergeben, dass die CO2-Konzentration im Vergleich
zum langjährigen Mittel (180 – 280 ppm = parts per million) seit Beginn der
Industrialisierung auf 360 ppm und damit um rund 30% gestiegen sind (LOZÁN /
GRASSL / HUPFER, S. 115 f.). Nach Aussage von Dr. Latif bei seinem Vortrag in
Norderstedt war der CO2-Gehalt in der Atmosphäre seit mindestens
400.000 Jahren nicht mehr so hoch wie heute (so weit kann derzeit die
Gaszusammensetzung der Erdatmosphäre über Analysen von Eiseinschlüssen zurück
verfolgt werden).
Die Zahlen für das momentan wichtigste Treibhausgas CO2
zeigen auf, dass der menschliche Anteil am gesamten Treibhauseffekt – natürlicherweise
– gering ist. Besorgniserregend sind das Ausmaß der Veränderungen, die zeitlich
verzögerten Auswirkungen der schon freigesetzten Treibhausgase sowie die
Tatsache, dass wir uns gegenwärtig bereits an der Obergrenze der natürlichen
Schwankungsbreite von 9°C bis 16°C befinden. Um im oben verwendeten Bild zu
bleiben: Die Erde weist bereits eine “erhöhte Temperatur” auf und das
bevorstehende “Fieber” ist nicht mehr zu vermeiden.
Nach dem Stand der Forschung ist eine Erhöhung der mittleren Erdtemperatur
in Höhe von 0,5°C in den letzten 100 Jahren auf den anthropogenen Treibhauseffekt
zurück zu führen (ENQUETE-KOMMISSION, S. 137 f.). Mit den aktuell verfügbaren
Klimamodellen wird eine weitere Erwärmung auf Grund von anthropogenen Treibhausgasen
von 1,5°C – 4,5°C in diesem Jahrhundert erwartet (ENQUETE-KOMMISSION, S. 39).
Das entspricht einer weltweiten Erwärmung, wie sie seit Ende der letzten
Eiszeit in den vergangenen 18.000 Jahren in natürlicher Weise stattgefunden
hat. Die vom internationalen Expertengremium der UNO (IPCC = International
Panel on Climate Change) in ihrer 3. “Wissenschaftlichen Einschätzung des
Klimawandels” abgegebene Prognose geht sogar von einer Temperaturerhöhung von
bis zu 5,8°C in diesem Zeitraum aus (z.B. Süddeutsche Zeitung vom 23.01.2001,
DIE ZEIT vom 25.1.2001). Dort heißt es auch: “Es gibt neue und stärkere Belege
dafür, dass die beobachtete Erwärmung der letzten 50 Jahre zum Großteil auf
menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist.” (zitiert nach: DIE ZEIT vom 25.1.2001)
Zu 3.:
Es ist weitgehend bekannt, dass die im Klimaschutzprotokoll von Kioto
beschlossenen Reduktionsziele für die 6 dort namentlich benannten
Treibhausgase nicht ausreichen, um einen anthropogenen Treibhauseffekt zu
vermeiden (DER RAT VON SACHVERSTÄNDIGEN FÜR UMWELTFRAGEN). Hierbei handelt es
sich um einen politischen Kompromiss, der ein Zwischenziel für den Zeitraum
2008 - 2012 darstellt. Aber nicht einmal dieses Zwischenziel scheint derzeit
ohne erhebliche Anstrengungen erreichbar zu sein (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFT
2000).
Eine grundlegende Herleitung und Abschätzung des umfangreichen Handlungsbedarfs
hat die Enquete-Kommission “Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre” des
Deutschen Bundestages erarbeitet. Diese Arbeit hat international viel
Anerkennung gefunden und liegt beispielsweise der Selbstverpflichtung der
Bundesregierung zu Grunde, den CO2-Ausstoß Deutschlands bis zum
Jahr 2005 um mindestens 25% zu reduzieren.
Die zu erwartenden schnellen
Temperaturänderungen wird ein Großteil der heute lebenden Tier- und
Pflanzenarten voraussichtlich nicht überleben. Die unbelastete Vegetation kann
vermutlich einer Temperaturerhöhung von 0,1°C pro Jahrzehnt gerade noch
folgen; eine vorgeschädigte Vegetation – erinnert sei hier nur an die jährlichen
Waldschadensberichte - ist auch damit bereits überfordert (ENQUETE-KOMMISSION,
S. 39 f.). Dr. Latif hat in seinem Vortrag darauf hingewiesen, dass sich die
Durchschnittstemperaturen auf der Erde noch nie so schnell geändert haben wie
dies derzeit der Fall ist.
Auch die Lebensbedingungen für die Menschen
haben sich durch die Veränderungen der letzten Jahrzehnte bereits deutlich
verschlechtert (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFT 1999). Eine
detaillierte Analyse der großen Naturkatastrophen der zurück liegenden 15
Jahre hat ergeben (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFT 2000):
§
die (am Pro-Kopf-Einkommen gemessen) reichsten
Länder der Welt werden am häufigsten von Naturkatastrophen betroffen;
§
die ärmsten Länder der Welt tragen die Hauptlast
der auf Naturkatastrophen zurück zu führenden Todesopfer – 380.000 Menschen
(65% von 587.000 Todesopfern) sind dort seit 1985 insbesondere durch Stürme
und daraus resultierende Sturmfluten sowie Überschwemmungen ums Leben
gekommen, während es in den reichsten Ländern nur 4% waren;
§
die volkswirtschaftlichen Schäden sind in den
reichsten Ländern nominal betrachtet am höchsten (564 von insgesamt 980 Mrd.
US$), relativ zu den gesamten volkswirtschaftlichen Aktivitäten werden jedoch
die ärmsten Länder mehr als 5-fach stärker getroffen (13,3% des BIP im
Vergleich zu “nur” 2,5% des BIP; BIP = Bruttoinlandsprodukt).
Vor diesem Hintergrund kommt die ENQUETE-KOMMISSION zu dem Schluss,
dass der zusätzliche, auf den Menschen zurückzuführende Effekt des Klimawandels
eine Gefahr kaum vorstellbaren Ausmaßes
darstellt (S. 137). Der Leiter des Umweltprogramms der UNO (UNEP), Prof. Dr.
Klaus Töpfer, kommentierte die neueste IPCC-Studie mit dem Fazit, dass nach
diesen Prognosen “in jeder Hauptstadt und in allen Kommunen die Alarmglocken
läuten” sollten (z.B. Süddeutsche Zeitung vom 23.01.2001).
Quellen:
§
DER
RAT VON SACHVERSTÄNDIGEN FÜR UMWELTFRAGEN – 1998 – Umweltgutachten 1998. –
387 S., Stuttgart.
§
ENQUETE-KOMMISSION
"VORSORGE ZUM SCHUTZ DER ERDATMOSPHÄRE" DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES
(Hrsg.) - 1991 - Schutz der Erde. Eine Bestandsaufnahme mit Vorschlägen zu
einer neuen Energiepolitik. - Teilbände I + II, 686 + 1010 S., Bonn,
Karlsruhe.
§
LOZÁN,
J.L.; GRASSL, H.; HUPFER, P. (Hrsg.) – 1998 – Warnsignal Klima. Wissenschaftliche
Fakten. – 463 s., Hamburg.
§
MÜNCHENER
RÜCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFT (Hrsg.) – 1999 - topics 2000. Naturkatastrophen –
Stand der Dinge. – 126 S., München.
§
MÜNCHENER
RÜCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFT (Hrsg.) – 2000 – topics. Jahresrückblick
Naturkatastrophen 1999. – 7. Jahrgang, 46 S., München.
§
UBA
= UMWELTBUNDESAMT (Hrsg.) – o.J. – Klimaänderung: Ein wissenschaftlicher
Popanz? Sechzehn Streitpunkte auf dem Prüfstand. – 30 S., Berlin.
Herr
Dr. Weinhold stellt folgende Anfrage:
“Die
gegebene Antwort mit der Formulierung “.....der menschliche Anteil am gesamten
Treibhauseffekt sei- natürlicherweise – gering.” ist nicht ausreichend. Als
Anlage zur Frage wurde zwei Quellen beigelegt, die eine zahlenmäßige Angaben
machen. Eine davon ist das Wuppertal-Institut, das den menschlichen Anteil am
CO2 mit 3% bis 4% am Gesamt-CO2 angibt. Die andere Quelle
nennt einen menschlichen Anteil von 0,5% bis 1,5% am gesamten Treibhauseffekt.
Die
CDU-Fraktion bittet um genauere Beantwortung. Gegebenfalls reicht die
Bestätigung der Quellen aus.”
Herr
Brüning antwortet darauf direkt, dass das Umweltamt davon ausgeht, dass die
genannten Quellen Korrekte wissenschaftliche Beurteilungen abgegeben haben.
Eine Bewertung der Aussagen wird daher nicht erfolgen.
Protokollauszug: |
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