Sachverhalt:

 

CO2-Bilanz des Jahres 2021 für Norderstedt

Auf Grundlage des in der Berichtsvorlage M 01/0574 vorgestellten Verfahrens zur Erstellung einer Norderstedter CO2-Bilanz wird hiermit dargestellt, wie hoch die CO2-Emissionen in Norderstedt

  • im Basisjahr 1990,
  • in den Zieljahren 2005 und 2010 sowie
  • in den letzten vier Jahren (2018 bis 2021)

pro Einwohner/-in ausgefallen sind.

Diese Reduzierung der tabellarischen Darstellung auf das Basisjahr 1990, die Ziele in den Jahren 2005 und 2010 und die Bilanzjahre 2016 bis 2019 wurde lediglich aus Gründen der Anschaulichkeit vorgenommen. Eine grafische Aufstellung aller Bilanzjahre ist in der Anlage beigefügt.

Bilanziert werden zunächst die vor Ort vermiedenen CO2-Emissionen. Daneben werden auch diejenigen Effekte dargestellt, die sich aus den Kompensationen ergeben, welche die Stadtwerke Norderstedt seit 2012 für die von ihnen verursachten CO2-Emissionen vorgenommen haben. Die Stadtwerke haben dazu wiederholt berichtet (siehe Berichte und Anlagen SWN/005/XI vom 27.11.2013, SWN/016/XI vom 26.11.2014 und SWA/028/XI vom 25.11.2015, SWA/041/XI vom 23.11.2016, SWA/052/XI vom 22.11.2017 und SWA/005/XII vom 28.11.2018). Sie sind in der o.a. Tabelle als Werte „2018 – 2021 komp“ dargestellt. Da es sich bei der CO2-Neutralstellung um eine Kompensation von CO2-Emissionen durch Verminderung von CO2-Emissionen andernorts handelt, wird die dadurch erzielte bilanzielle CO2-Minderung nicht auf die einzelnen Handlungsfelder, sondern nur auf die Gesamtemission bezogen. Methodisch kann eine CO2-Kompensation erst dann festgelegt werden, wenn die für das jeweilige Jahr entstandenen und zu kompensierenden CO2-Emissionen berechnet wurden. Da die entsprechenden Zahlen für 2021 bei der Erstellung dieser CO2-Bilanz noch nicht abschließend vorliegen, wird für 2021 vorläufig ein Wert angenommen, der an die Kompensationsmenge vom Vorjahr angelehnt ist.

Für die Zukunft verlassen die Stadtwerke aus verschiedenen Gründen den Weg der CO2-Neutralstellung und nehmen ihre Klimaverantwortung wahr. Dies geschieht im besonderen Maße durch den Transformationsplan der Stadtwerke, welche u. a. die Dekarbonisierung der Fernwärme und die Stromeigenerzeugung zum Ziel hat.

Die städtische CO2-Bilanz erfasst alle CO2-Emissionen, die im Stadtgebiet von Norderstedt anfallen, aber auch nur diese. Das ist für kommunale Bilanzen ein weit verbreitetes Vorgehen. Allerdings tragen durch den Lebensstil der hier lebenden Menschen weitere CO2-Emissionen zum Klimawandel bei – z.B. durch den Energieverbrauch, der zur Produktion von Konsumgütern und Nahrungsmitteln außerhalb Norderstedts und zu deren Transport hierher benötigt wird. Deshalb wird der Betrag von 4,5 t/a für den Lebens­stil – ein bundesweiter Mittelwert [1a und b], der im überdurchschnittlich kaufkräftigen Norderstedt eher als Untergrenze angesehen werden muss – zusätzlich ausgewiesen.

 

Zu den Ergebnissen:

  • Die CO2-Minderung innerhalb des Stadtgebiets von Norderstedt lag 2021 bei 42,5% verglichen mit dem Basisjahr 1990.
  • Innerhalb der letzten fünf Jahre wurde in Norderstedt eine CO2-Minderung von 17,3% erreicht (im Vergleich zum Ausgangsjahr 2016) und somit die Empfehlung des Klima-Bündnis für den Minderungspfad binnen 5 Jahren (s. u.) klar verfehlt.
  • Unter Berücksichtigung der Auswirkungen unseres Lebensstils auf das Klima ergibt sich für das Jahr 2021 eine CO2-Minderung von 31,9% je Einwohner/-in gegenüber dem Basisjahr 1990 bzw. 11,7% in den letzten 5 Jahren.
  • Unter Berücksichtigung der Kompensationsleistungen, die die Stadtwerke erkaufen, liegt die rechnerische CO2-Minderung im Jahr 2021 (gegenüber 1990) bei 47,8% bzw. bei 35,8% (inkl. Lebensstil).

 

Die Ergebnisse in Relation zu den Zielen:

Zum Zeitpunkt des Beitritts zum Klima-Bündnis hatte sich die Stadt Norderstedt zum gemeinsamen Ziel bekannt, ihre CO2-Emissionen bis 2010 um 50% zu verringern. Angesichts der absehbaren Zielverfehlung in den meisten Mitgliedskommunen wurde 2007 als Ziel gesetzt, alle 5 Jahre eine CO2-Minderung von 10% zu er­reichen. Da auch dieser Minderungspfad erkennbar nicht ausreicht, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen (Siehe MV 20/0409), gilt seitens des Klima-Bündnis die Empfehlung, den Reduktionspfad für die gesamtstädtischen CO2-Emissionen auf eine Minderung um 30% alle 5 Jahre anzupassen.

 

Entwicklung der CO2-Emissionen in den Handlungsbereichen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhand der Grafik lässt sich ersehen, dass hauptsächlich in dem mengenmäßig größten Handlungsbereich Heizwärme und Energie für Prozesse mit 46,1% CO2-Minderung pro Kopf größere Ein­sparungen seit 1990 bis zum Bilanzjahr 2021 erzielt wurden [2020: 38,7%]. Hier bestehen – neben einfachen Verhaltensänderungen – auch die wesentlichen Potenziale mit der längerfristig höchsten Wirtschaftlichkeit der Klimaschutzinvestitionen, vor allem im Gebäudebereich.

Das Handlungsfeld Heizwärme / Prozesse unterliegt durch die häufig sehr unterschiedliche Witterung in den einzelnen Bilanzjahren Verzerrungen, welche auch durch die Witterungs­bereinigung nicht komplett ausgeglichen werden können. 2020 war (wie auch schon 2017 bis 2019) ein Jahr mit einem warmen Winter, so dass an relativ vielen Tagen in der Heizperiode die Heizgrenztemperatur von 15°C knapp überschritten wird. Die währenddessen entstehenden hohen Stand-by-Verluste der Heizanlagen werden in der Witterungsbereinigung nicht berücksichtigt. Das führt trotz – und gerade aufgrund – der Witterungsbereinigung zur Ausweisung von leicht erhöhten CO2-Werten. Das aktuelle Bilanzjahr 2021 war in Relation zu den Vorjahren „kühler“ im Zeitraum der Heizperiode, so dass der oben beschriebene Effekt nicht auftritt. Ein höherer Anteil an Fernwärme und Umstellungen von Öl- auf Gasheizungen tragen zur CO2-Minderung in diesem Handlungsfeld bei.

Für den Handlungsbereich Licht und Kraft ist pro Kopf eine CO2-Minderung von 58,2% im Vergleich zum Basisjahr 1990 festzustellen [2020: 62,8%]. Damit ist es das Handlungsfeld das mit dem höchsten Erfolg in der CO2-Minderung. Lange Zeit trugen der über die Jahre zunehmend CO2-ärmere Bundesmix (durch höheren Anteil an erneuerbaren Energien wie auch durch den Anstieg des Stromeinsatzes aus KWK-Anlagen, insbesondere der Stadtwerke Norderstedt) zu diesem Trend bei. Die Stadtwerke Norderstedt haben die Eigenerzeugung von Strom durch BHKW seit 2014 um knapp 104% gesteigert; der Anteil des selbst erzeugten KWK-Stroms am Gesamtabsatz liegt nunmehr bei 28,7%. Negativ auf die CO2-Bilanz wirkt sich der aktuelle Anstieg der CO2-Emissionen für den bundesweiten Strommix von 375 g CO2/kWh für das Jahr 2020 auf 420 g CO2/kWh für 2021 (Schätzwert des Umweltbundesamtes 2022) aus. Positiv wirkt hingegen, dass der Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien im Vertrieb der Stadtwerke gegenüber 2019 um 33% anstieg und nunmehr einen Anteil von 13,2% am Stromabsatz in Norderstedt hat. Der Anteil an Ökostrom beim Stromabsatz anderer Lieferanten auf Norderstedter Stadtgebiet kann im Rahmen der verfügbaren Daten nicht ermittelt werden.

Der Strom­verbrauch stieg in Norderstedt von 1990 bis 2021 absolut um 30% [2019:33,7%] pro EW um 9,8%. Norderstedt liegt damit im bundesweiten Trend, der durch eine zunehmende Digitalisierung und immer mehr elektrische Geräte in den Haushalten und Betrieben geprägt ist. Effizienz­steigerungen der Geräte und sonstige Stromsparmaßnahmen werden über­kompensiert. 

Die Bilanzierung der CO2-Emissionen durch den Verkehr ist auf Grund der wenigen verfüg­baren lokalen Daten gegenüber den Bereichen Kraft / Wärme und Strom mit einer größeren Unschärfe behaftet. Hier müssen beispielsweise die Jahresfahrleistungen und der Kraftstoffverbrauch aus bundesweiten Daten übernommen werden. Insgesamt weist das Handlungsfeld Verkehr die mit Abstand geringste CO2-Minderung (bzw. den größten Handlungsbedarf) auf: Gegenüber dem Basisjahr 1990 sind die CO2-Emissionen 2021 pro Kopf um 20% gesunken – bis 2019 waren es -8,4%. Grund für die plötzliche Absenkung im Verkehr sind kurzfristige Auswirkungen der Corona-Pandemie, insbesondere auf den Flugverkehr. Gegenüber dem Jahr 2020 sind die Verkehrsemissionen 2021 bereits wieder angestiegen. Die Jahresfahrleistung für PKW im MIV wird derzeit gegenüber 2019 um 12% geringer angenommen [2]. Allerdings steigt in Norderstedt der Fahrzeugbestand kontinuierlich; allein von 2020 auf 2021 bei den PKW um 1,1%, bei den LKW um 2,7%.

Methodenbedingt bleiben die Angaben zum Handlungsbereich Lebensstil unverändert. Neue Literaturangaben bestätigen, dass der Wert von 4,5 t für die deutsche Bevölkerung unver­ändert gültig ist. In diesem Bereich ruht ein hohes CO2-Minderungspotenzial, das sich in Ermangelung lokaler Daten speziell für Norderstedt allerdings nicht abbilden lässt.

 

Die grafische Darstellung der jährlichen Ergebnisse sowie eine vergleichende Aufteilung der Bilanz in die einzelnen Handlungsbereiche finden sich in der Anlage.

Methodik und Vergleichbarkeit mit anderen Kommunen

Die vorliegende Bilanz wird seit 2001 jährlich erstellt und fortgeschrieben. Sie hat sich auch im Vergleich mit den CO2-Bilanzen anderer Kommunen und den Ergebnissen aus Bestrebungen des Umwelt­bundesamtes (UBA), des ifeu Instituts sowie des Klima-Bündnisses zur Weiterentwicklung kommu­naler CO2-Bilanzierung als tragfähig erwiesen. Die Bilanz ist geeignet, auf einfache und kostengünstige Weise unter Nutzung aller lokal verfügbaren Daten einen Trend abzubilden, der auf Berechnungen der CO2-Emissionen basiert, die eine über die Jahre vergleichbare Aussage zulassen.

 

In Norderstedt genutzte Handlungsansätze

1.    Energieerzeugung: Die Energieerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung wurde durch die Stadtwerke Norder­stedt seit Jahren forciert. Dadurch konnten die CO2-Emissionen sowohl für Strom als auch für Wärme niedriger gehalten werden als ohne die Kopplung. Allerdings werden dafür immer noch fossile Energieträger eingesetzt. In Zukunft muss der Strom- und Wärmebedarf mehr und mehr aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.

 

2.    Transformation zu CO2-freier Fernwärme unter Nutzung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze durch die Stadtwerke: Aufgrund intensiver Vorbereitungen konnten die Stadtwerke Norderstedt als eines der ersten Unternehmen in Deutschland die Förderzusage für die Teilnahme am Förderprogramm „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze - Förderbekanntmachung zu den Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0“ des Bundessamtes für Ausfuhrkontrolle (BAFA) erwirken und sich die erforderlichen Planungskapazitäten sichern. Diese Förderzusage stellt die Grundlage für den Umbau der Fernwärme dar, da hier Investitionen in erheblichem Umfang erforderlich werden. In dem Förderprogramm werden unter anderem folgende Punkte untersucht:

  • Abwärme – Nutzung der Abwärme des Rechenzentrums;
  • Luft-Wärmepumpen – in zwei BHKW wurden Wärmepumpen installiert, sodass die Energie aus dem Abgasstrom nahezu komplett zurückgewonnen werden kann. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Wärme aus Strom anstatt aus Erdgas zu erzeugen;
  • Solarthermie – Solarstrategie und Flächenakquise;
  • Geothermie - im Rahmen der Wärmenetzförderung wurde eine zusätzliche Machbarkeitsstudie für Tiefengeothermie beauftragt;
  • Wasserstoff – Möglichkeiten für eine Förderung zur Errichtung eines Elektrolyseurs werden untersucht;
  • Digitalisierung – die Steuerung der Wärmeerzeugungsanlagen wurde komplett automatisiert. Aktuell nehmen die Stadtwerke als Projektpartner an dem Forschungsprojekt der Deutschen Energieagentur (DENA) „Künstliche Intelligenz im Fernwärmenetz“ teil;
  • Netzausbau - 2022 wurde ein Großteil der Fernwärmenetze verbunden und somit die Basis für den zukünftigen Transformationsplan geschaffen.

 

3.    Kommunale Wärmeplanung: Seit Anfang 2022 sind u. a. Mittelzentren wie Norderstedt durch das Energiewende- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein (EWKG SH) verpflichtet, eine kommunale Wärme- und Kälteplanung zu erstellen. Aus der stadtweiten Analyse der Potenziale für die Nutzung erneuerbarer Wärme und Abwärme und der Möglichkeiten zum Einsparen von Heizenergie in Gebäuden durch energetische Sanierung wird ein Minderungspfad für die CO2-Emissionen durch eine zunehmend erneuerbare Wärmeversorgung der Stadt innerhalb der kommenden 20 Jahre erarbeitet. Die Stadt Norderstedt erstellt den Kommunalen Wärmeplan (KWP) in enger Zusammenarbeit mit den Stadtwerken (siehe Vorlagen B 22/0282, M22/0384 und B 22/0282/1). Bis Ende 2024 sollen das Planwerk und der Beschluss mit fünf wesentlichen Maßnahmen zu dessen Umsetzung beim Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN) vorgelegt werden.

 

4.    Energieeffizienz und Nachhaltigkeit bei Neubau und Sanierung – Stadt als Vorbild: Seit 2017 wendet die Stadt in ihren hochbaulichen Wettbewerben die Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben (SNAP), die das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgibt. Die SNAP-Bewertung kam bei Erweiterung und Sanierung des Schulzentrums Nord zum Einsatz, wo derzeit einer der größten Eisspeicher an einer Schule in SH gebaut wird, um den Neubau sowie den Erweiterungsbau in Holz-Hybridbauweise mit erneuerbarer Wärme und Kälte zu versorgen.  Weil das Betonskelett des Bestandsbaus weiter genutzt wird und die Erweiterung einen hohen Holzanteil aufweist, werden CO2-Emissionen für die Baustoffe („graue Energie“) eingespart.

 

5.    Energieverbrauch: Zunächst hat sich die Stadtverwaltung darauf konzentriert, die CO2-Emissionen im unmittelbaren Einflussbereich der Verwaltung zu senken, also vorrangig in den eigenen Liegenschaften, bei Ampeln und der Straßenbeleuchtung. Danach wurden die Aktivitäten auf eine CO2-Minderung im gesamten Stadt­gebiet ausgeweitet. Folgende Instrumente sind für den gesamtstädtischen Einfluss wichtig:

  • Das Norderstedter Förderprogramm „Wärmeschutz im Gebäudebestand“ bietet eine finanzielle Unterstützung, um das hohe und wirtschaftlich attraktive Klimaschutzpotenzial der energetischen Gebäude­sanierung anzugehen. Um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen, wäre allerdings mindestens eine Verdoppelung der Sanierungsrate in Norderstedt auf über 2% nötig. Für das 1,5°C Ziel wäre sogar eine Sanierungsrate von 4% erforderlich [10]. Dafür müsste ein erheblich höherer Aufwand für Information, Beratung und Sanierungsbegleitung betrieben werden, als es mit den verfügbaren Ressourcen möglich ist. Die Stelle eines Klimaschutzmanagers für den Gebäudebereich ist in der Stabsstelle Nachhaltiges Norderstedt u. a. für diese Aufgaben vorgesehen. Eine Erweiterung des städtischen Förderprogramms ist angedacht; dies in Abstimmung mit den neuen zusätzlichen Förderungen des Landes ab Januar 2023.
  • Das klimaschutzorientierte Energiekonzept für den Gebäudesektor in Norderstedt zeigt wichtige zusätzliche CO2-Minderungspotenziale und Handlungsmöglichkeiten für den Gebäudebestand auf, die über eine energetische Sanierung ganzer Quartiere erreicht werden können. So können auch Synergieeffekte genutzt werden, z.B. durch unter­schiedliche Möglichkeiten einer gemeinsamen CO2-freien Energieversorgung. Mit der kommunalen Wärmeplanung werden die aufgezeigten Handlungsansätze aktualisiert und im Rahmen des geforderten Maßnahmenplans konkretisiert.
  • Wenn Klimaschutz ernst gemeint ist, dann darf das Problem nicht weiter verschärft werden. Das bedeutet, dass alle neu errichteten Gebäude mindestens CO2-neutral sein müssen – und zwar sowohl beim Bau (graue Energie) als auch im Betrieb. Im Neubau ist es besonders wichtig, auf die energieintensiven Baustoffe zu verzichten und stattdessen Material wie Holz zu nutzen. Dann kann ein Neubau sogar zur dringend benötigten CO2-Senke werden.
  • Mit Hilfe des Lärmaktionsplans konnten Verkehrsverlagerungen und damit verbunden CO2-Minderungen im schwer anzugehenden Handlungsfeld Verkehr erreicht werden. Bei der erforderlichen Fortschreibung kann die Stadt selbst entscheidend dazu beitragen, eine Verlagerung auf nicht motori­sierte Verkehrsträger ambitioniert weiterzuführen.
  • Das Ziel der Nullemissionsstadt Norderstedt muss in alle Vorhaben der Stadtentwicklung integriert werden. Neben der Frage der Baustoffe, die dabei gerade im Neubau eine wesentliche Rolle spielen, ist auch der Trend zu immer mehr Wohnraum pro Person dringend umzukehren. Das Forschungsvorhaben Zukunftsstadt zeigt über die Akzeptanzforschung für Kleinstwohnungen akzeptierte Lösungen auf. 

 

Ohne wesentliche Beiträge durch Bevölkerung und Wirtschaft sind die städtischen Klimaziele nicht erreichbar, denn fast 99% der hier stadtweit bilanzierten CO2-Emissionen liegen in der Hand dieser Akteure. Auf sie hat die Stadt allerdings nur einen begrenzten Einfluss.

 

6.    Maßnahmenliste für mehr Klimaschutz: Seit Februar 2022 erarbeitet das Klimateam der Verwaltung im Dialog mit dem Umweltausschuss Maßnahmen, welche zusätzliche CO2-Minderungen in Norderstedt auslösen können. Eine Liste von 100 Maßnahmen wurde von der Verwaltung zusammengestellt und überschlägig nach Effizienz, Zeit und Kosten bewertet. Die Fraktionen gaben eine erste Bewertung dazu ab. Aus einem Pool von Maßnahmen wurde auf Wunsch des Umweltausschusses ein Grobkonzept von Seiten der Verwaltung vorgestellt. Dieses hat entsprechend den Bewertungen durch den Ausschuss ihren Schwerpunkt im Bereich der Förderangebote, koordinierenden Kampagnen und einem intensiveren Zugehen auf die Akteure, als es bislang möglich war. Abschließende Entscheidungen stehen zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch aus.   

 

Fazit

Die CO2-Bilanz 2021 für die gesamte Stadt Norderstedt weist einen Rückgang der CO2-Emissionen (witte­rungsbereinigt) pro Person um 42,5% gegenüber dem Referenzjahr 1990 auf – ohne die CO2-Emissionen aus dem Handlungsbereich Lebensstil. Das ist die bislang größte bilanzierte Minderung der CO2-Emissionen in Norderstedt. Zur aktuellen Minderungen tragen ein höherer Anteil von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung (+12,4% gegenüber 2019), ein Anstieg von Ökostrom am Stromabsatz der Stadtwerke (+33,3% gegenüber 2019), die Erhöhung des Fernwärmeanteils und weniger besonders klimaschädliche Ölheizungen in Norderstedt bei. Auswirkungen der Corona-Pandemie führen über geringere Jahresfahrleistungen beim MIV und einen in der Pandemie stark eingeschränkten Flugverkehr zu vorübergehenden Minderungen im Handlungsfeld Verkehr.

 

Der Trend der stadtweiten CO2-Minderungen zeigt, dass mit dem bisherigen Tempo das Ziel Nullemissionsstadt bis 2040 nicht erreicht werden kann. Wenn die Stadt das Ziel ernsthaft erreichen will, müssen die Anstrengungen im Klimaschutz deutlich forciert werden: In den kommenden 20 Jahren müssen demnach jährlich ungefähr 5 Prozentpunkte der aktuell verbleibenden CO2-Emissionen [7,78 t/Person] vermieden werden.

 

Faktisch müsste die Minderung bis 2030 sogar deutlich stärker ausfallen, um die Kurve später abflachen zu können [3]. Das geht nur, wenn in allen Handlungsfeldern erheblich größere Einsparungen vorge­nom­men werden. Mit dem genannten Minderungspfad lässt sich das ökologisch erforderliche 1,5°C Ziel nicht erreichen. Hierfür müsste die bilanzielle Klimaneutralität bereits 2035 erreicht werden (s. u.).

 

Das Europaparlament hat das EU-Klimaziel bis 2030 verschärft. Demnach ist der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 gegenüber dem Jahr 1990 um 60 Prozent zu senken [4].

 

2006 hatte der Stern-Report auf internationaler Ebene aufgezeigt, dass die Kosten für den Klimawandel höher sind als die erforderlichen Investitionen in den Klimaschutz. Je früher die Klimaschutzziele erreicht werden, umso geringer werden die Kosten für Schäden durch den Klimawandel ausfallen [5].

 

Die im letzten Bericht zur CO2-Bilanz für Norderstedt 2019 genannten Daten und Erkenntnisse zur Dringlichkeit des Handelns gegen den Klimawandel gelten nach wie vor (siehe M 20/0409). Neuere Daten zeigen, dass sich die Lage weiter verschärft hat: Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021, die Dürresommer 2018-2022 mit ihren Auswirkungen auf den Grundwasserstand, die Wälder, die Landwirtschaft und die Gesundheit, die Hitzerekorde auch für Norderstedt 2022 u. v. m. zeigen, dass der Klimawandel längst auch in Deutschland angekommen ist.

 

Die folgenden Grafiken stellen die bisherigen CO2-Minderungen in Norderstedt seit 1990 dar. Die Zielwerte für eine klimaneutrale Stadt 2040 und ein Zwischenziel 2030 sind markiert. Die obere Grafik veranschaulicht eine lineare Fortsetzung des Trends, die untere Grafik zeigt die notwendige Entwicklung, um das 1,5°C Ziel noch erreichen zu können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellenangaben:

[1a]      GRASSL, H.; KLINGHOLZ, R. – 1990 – Wir Klimamacher. Auswege aus dem globalen Treibhaus – 290 S., Frankfurt.

[1b]      UMWELTBUNDESAMT - 2020 – CO2-Rechner des Umweltbundesamtes (www.uba.co2-rechner.de)

[1]        UMWELTBUNDESAMT – 2022 – Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emis­sionen des deutschen Strommix 1990-2021 – Dessau-Roßlau, April 2022 (www.uba.de/publikationen).

[2]        BUNDESMINISTERIUM FÜR VERKEHR UND DIGITALE INFRASTRUKTUR – 2021 - Verkehr in Zahlen 2021/2022 – Flensburg.

[3]        WUPPERTAL INSTITUT FÜR KLIMA, UMWELT, ENERGIE GGMBH –2020 – Studie: Wie Deutschland bis 2035 CO2-neutral werden kann. Pressemitteilung vom 13.10.2020 (https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/5169/).

[4]        EU-Parlament beschließt schärfere Klimaziele – 2020 – (https://www.tagesschau.de/ausland/eu-parlament-fordert-strengeres-klimaziel-101.html).

 [5]       BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG – 2013 –  Kosten des Klimawandels (https://www.bpb.de/themen/klimawandel/dossier-klimawandel/38487/kosten-des-klimawandels/) 

 

 

Anlage:

 

CO2 -Bilanz des Jahres 2021 für Norderstedt

 

(Als Anlage 2 zu Protokoll)