Sitzung: 20.09.2023 Umweltausschuss
Vorlage: M 23/0386
Sachverhalt:
Die Stadt Norderstedt hat
im März 2023 begonnen, den kommunalen Wärme- und Kälteplan für Norderstedt zu
erstellen. Grundlage dafür ist § 7 des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes
Schleswig-Holstein (EWKG). Diese Planung wird gemeinsam von der Stadtverwaltung
und den Stadtwerken Norderstedt koordiniert (siehe Beschlüsse B 22/0282 des
Umweltausschusses vom 17.08.2022 und B 22/0282/1 der Stadtvertretung vom
13.12.2022).
Für die Aufstellung eines
Wärme- und Kälteplan sind u.a. folgende Informationen zu erarbeiten:
1. Bestandsanalyse des Ist-Zustands (Energieverbrauch
/ Treibhausgasemissionen aller Gebäude für Wärme und Kälte)
2. Prognose des künftigen Wärmebedarfs
(energetische Sanierungen der Gebäude sind zu berücksichtigen)
3. Potenzialanalyse der lokal
verfügbaren erneuerbaren Wärme / Kälte sowie Abwärme
4. Räumliches Konzept zur
treibhausgasneutralen Wärme- und Kälteversorgungsstruktur, das den Ausbaubedarf
erneuerbarer Energien, der leitungsgebundenen Wärme- und Kälteversorgung sowie
die Steigerung der energetischen Sanierungsrate und die Verbesserung der Energieeffizienz
von Gebäuden umfasst
5. Maßnahmenprogramm zur
Umsetzung des Konzepts mit Zeitplan, Kostenrahmen und Ziel für 2030, Nennung
von fünf prioritären Maßnahmen und Monitoringkonzept.
Der Wärme- und Kälteplan ist zu beschließen, z.B.
als Satzung.
Der Umweltausschuss wurde
am 15.03.2023 über die Vergabe des Auftrags zur Erstellung der kommunalen
Wärme- und Kälteplanung durch die Stadtwerke Norderstedt an die HIC Hamburg
Institut Consulting GmbH informiert (Vorlage M 23/0133). Konnexitätsmittel des Landes
in Höhe von rund 66.000 € werden für die Erstellung des Wärmeplans eingesetzt.
Der aktuelle Sachstand
der Planung soll in der Sitzung des Umweltausschusses vom 15.11.2023 durch die
HIC Hamburg Institut Consulting GmbH vorgestellt werden. Diese Mitteilungsvorlage
ist zur Vorbereitung auf die Thematik gedacht.
Die Arbeiten schreiten
gemäß der Projektplanung voran. Die Öffentlichkeit wurde im Juni 2023 über die
Presse informiert, dass Norderstedt eine kommunale Wärme- und Kälteplanung
durchführt (gemeinsame Pressekonferenz von Stadt und Stadtwerken am
22.06.2023).
Die Einbindung von
Stakeholdern (Fachämter, Wohnungswirtschaft, Unternehmen,
Interessensvertretungen, Verbraucherzentrale etc.) wurde über eine
Arbeitsgruppe am 05.07.2023 begonnen.
Eine Veranstaltung zur Information der
Öffentlichkeit ist für Ende November vorgesehen.
Die folgenden Seiten geben den Sachstand aus Sicht
des Hamburg Instituts wieder.
Bestandsaufnahme:
Auf Basis der Gebäudedaten
der Stadt Norderstedt und anonymisierten Verbrauchsdaten der Stadtwerke
Norderstedt für die Energieträger Fernwärme, Heizstrom und Gas (der Jahre 2019,
2020, 2021) wurden die durchschnittlichen, witterungsreinigten absoluten und
spezifischen Wärmebedarfe ermittelt. Die Daten wurden so gut wie möglich den
Gebäudedaten (unter Berücksichtigung von Etagen-Anzahl und von mitversorgten
Gebäuden etc.) zugeordnet. Lücken bei den Daten, insbesondere den
nicht-leitungsgebundenen Energieträger Öl betreffend, wurden über Schätzungen
mithilfe der Stadtraumtypen (Ecofys-Studie, 2009) und Informationen aus
Bebauungsplänen aufgefüllt. Die so generierten spezifischen Bedarfe dienen als
Grundlage für die zu ermittelnden Kennzahlen und Bilanzen.
Im
Hinblick auf einen möglichen Ausbau der Wärmenetze wurde auf Basis der
Straßendaten ein hypothetisches Netz in die Stadtbereiche gelegt, die noch
nicht mit Wärmeleitungen erschlossen sind. Die Wärmeliniendichte als späterer
Indikator in der räumlichen Analyse errechnet sich aus den Anschlussbedarfen
der zur jeweils nächsten Straße zugeordneten Gebäude bezogen auf die Länge des
entsprechenden Straßenabschnitts.
Einbindung Stakeholder: Eine Einbindung relevanter Akteure mit
Multiplikationswirkung erfolgte am 05.07.2023 im Rahmen des Arbeitskreises zur
Lenkung der kommunalen Wärmeplanung in Norderstedt (s. o.). Neben der
Verwaltung waren u.a. auch Vertretungen der Industrie, des Handwerks und der
Wohnungsbaugesellschaften am Termin beteiligt. Das Vorgehen und der Zeitplan
zur kommunalen Wärmeplanung wurden vorgestellt, Datenbedarfe und offene
Fragestellungen diskutiert und die weitere Mitwirkung abgestimmt.
Die Potenzialanalyse
umfasst die folgenden Potenziale:
Geothermie: Die Landesvorgaben zu Schutzabständen und
Schutzbereichen, die sich für eine geothermische Nutzung nicht eignen bzw. dort
nicht zulässig sind, wurden recherchiert und implementiert. Für die mitteltiefe
und tiefe Geothermie wurden eigene Analysen auf Basis von Landes- und
Bundesdaten mit den Ergebnissen des geologischen Gutachtens aus dem
Transformationsplan der Stadtwerke Norderstedt abgeglichen. Die
Potenzialanalyse der oberflächennahen Geothermie (Sonden) erfolgt
flurstückscharf unter Beachtung der Landesvorgaben zu Schutzabständen und
Schutzbereichen. Zu jedem Flurstück ist eine Entnahme- und Heizmenge berechnet,
die mit den Bedarfsdaten im nächsten Schritt räumlich verschnitten wird.
Umweltwärme: Unter Umweltwärme werden im Projekt Gewässer und
Umgebungsluft gefasst. Die Gewässer in Norderstedt wurden grob analysiert.
Zur Nutzung der Umgebungsluft
durch Luftwärmepumpen wurde ein Modell erstellt, das auf Basis von
Leistungsklassen und Schallemissionen die notwendigen Abstände zum nächsten
Immissionsort überschlägig ermittelt. Durch eine detaillierte räumliche Analyse
für jedes beheizte Gebäude wird ermittelt, ob der bestmögliche Aufstellpunkt
für eine Luftwärmepumpe auf Basis der benötigten Leistungsklasse (nach
Wärmebedarf) ausreichend Abstand zum nächsten Immissionsort aufweist. Ziel ist
es, auf Quartiersebene auszuweisen, ob eine dezentrale Versorgung durch
Luftwärmepumpen bei einem Großteil der Fälle auf Basis der Analyse möglich
scheint, oder ob die Bebauung bzw. die Bedarfe räumlich zu konzentriert
vorliegen, um die Erschließung der Wärmequelle (Umgebungsluft) direkt am
Gebäude zu gewährleisten. In diesem Fall müsste eine treibhausgasneutrale
Versorgung im Quartier (“Nahwärme”) bzw. über die Fernwärme ermöglicht werden
kann.
Abwärme: Unter die Abwärmenutzung fallen die Abwärme aus
Industrieprozessen & Rechenzentren und die Abwärme aus Abwässern. Für die
Abwärme aus Industrieprozessen wurden in Norderstedt relevante Betriebe, deren
Wirtschaftszweig und die entsprechenden Abwärmefaktoren identifiziert und mit
der Liste der genehmigungsbedürftigen Anlagen („BImSch-Anlagen“) abgeglichen.
Im nächsten Schritt erfolgt der Verschnitt mit den Bedarfsdaten, um das
Abwärmepotenzial räumlich verortet zu quantifizieren. Das qualitative Potenzial
zur technischen Erschließbarkeit von Abwärme aus Abwasserkanälen wurde in
Norderstedt bereits untersucht und ist räumlich die in Wärmeplanungskarte
eingefügt. Die Nutzbarkeit bzw. Bereiche zur näheren Untersuchung ergeben sich
im nächsten Schritt des Projekts, wenn die räumliche Analyse erstellt wird.
Biomasse: Die Biomassepotenziale, die in Norderstedt vertretbar
genutzt werden können, wurden auf Basis von Landesatlanten und Einordnung durch
Umweltverbände zur sinnvollen Nutzung recherchiert und berechnet. So wird
Restholz am Ende des Nutzungszyklus als nutzbares Potenzial aufgefasst, während
Biomasse aus Frischholz als sehr kritisch betrachtet und nicht als empfohlenes
Potenzial aufgenommen wird. Zur Wiedervernässung von Mooren und deren land- und
forstwirtschaftlicher Nutzung als sog. Paludikultur (u.a. für Schilfanbau) wurde beim Land SH angefragt.
Im Ergebnis konnte vom Land SH eine Potenzialstudie für potenzielle
Flächenbereiche bereitgestellt werden, die in die Untersuchung aufgenommen wird
und Hinweise gibt, wo eine Moorwiedervernässung mit Anbau von Biomasse möglich
scheint.