Sitzung: 06.06.2002 Ausschuss für Planung, Bau und Verkehr
Beschluss: noch nicht festgelegt
Abstimmung: JA-Stimmen:0 NEIN-Stimmen:0 Enthaltungen:0
Vorlage: M02/0274
Herr
Seevaldt gibt für das Amt 70 den folgenden Bericht.
Die Fraktion Grüne Alternative bat mit Schreiben vom
26.04.2002 um Klärung der folgenden Frage: “Gibt es eine Möglichkeit die
Straßengebühren gerechter zu verteilen als nach Anlieger-Fläche?”
Bei der Frage nach der “gerechtesten” Verteilung einer
Straßenreinigungsgebühr handelt es sich um eine subjektive Einschätzung. Das
Betriebsamt kann hier nicht der Entscheidungsfindung durch die politischen
Gremien vorweg greifen. Als objektive Kriterien sind folgende Aspekte zu
berücksichtigen:
Die Rechtsgrundlage zur Erhebung einer
Straßenreinigungsgebühr bildet § 45 Absatz 3 Ziffer 3 des Straßen- und
Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein (StrWG). Demnach sind die Gemeinden
berechtigt, “die Eigentümerinnen oder Eigentümer (...) der anliegenden Grundstücke
sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu den entstandenen Kosten
heran zu ziehen; die Herangezogenen gelten als Benutzerinnen und Benutzer einer
Einrichtung einer Einrichtung im Sinne des § 6 des Kommunalabgabengesetzes
des Landes Schleswig-Holstein.”
Mithin kann die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr nicht bloß auf
die Anlieger beschränkt werden, auch die Hinterlieger sind zur Gebühr
heran zu ziehen. Einen konkreten Maßstab zur Berechnung der Straßenreinigungsgebühr
gibt das StrWG nicht vor.
Möglichkeiten der Veranlagung:
1) Grundstücksfrontlänge
Der in Schleswig-Holstein allgemein übliche Maßstab
ist die Grundstücksfrontlänge, nicht die Grundstücksfläche, wobei für
die nicht oder nur teilweise anliegenden Grundstücke ein Maßstab zur
Berechnung einer fiktiven Frontlänge festgelegt werden muss. In der
Muster-Straßenreinigungsgebührensatzung des Städteverbandes Schleswig-Holstein
von 1998 heißt es hierzu (§ 3 - Gebührenmaßstab und Gebührensatz):
(1)
Bemessungsgrundlage für die Benutzungsgebühr sind die Straßenfrontlänge
des Grundstücks sowie die Häufigkeit der Reinigungen.
(2)
Als Straßenfrontlänge (Absatz 1) gilt:
a)
bei einem Grundstück, das an der Straße anliegt, die Länge der
Grundstücksseite entlang der Straße
b)
bei einem Grundstück, das mit weniger als zwei Drittel seiner längsten
Ausdehnung parallel zu der zu reinigenden Straße an der Straße anliegt: Zwei Drittel der längsten Ausdehnung des
Grundstücks parallel zu der zu reinigenden Straße abzüglich ein Viertel des
Unterschiedes zu der tatsächlichen Frontlänge
c)
bei einem Grundstück, das nicht an der zu reinigenden Straße anliegt,
aber von ihr erschlossen wird (Hinterlieger):
Die Hälfte der längsten Ausdehnung des Grundstücks parallel zur Straße.”
In den Erläuterungen zu diesem Paragraphen heißt es
unter anderem:
“Da das StrWG die Inanspruchnahme der Leistung
nur fingiert und sich die Fiktion der Reinigungsleistung nicht auf die
individuell räumlich abgrenzbare Straßenstrecke vor dem Grundstück, sondern die
ganze, das Grundstück erschließende Straße bezieht, kommt gemäß § 6 Absatz 4
Satz 2 KAG für die Gebührenerhebung nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab in
Betracht.
Danach ist der Satzungsgeber bei der Auswahl der in
Betracht kommenden Maßstäbe mit der Einschränkung frei, dass der Maßstab nicht
in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme stehen darf. (...)
Spezielle Vorgabe für den Maßstab ist nach § 45 Absatz 3 StrWG, dass er
grundstücksbezogen ist. (...) Nach diesen Grundsätzen sind rechtlich zulässige
Gebührenmaßstäbe der Frontmetermaßstab (...) aber auch der
Grundstücksflächenmaßstab.”
2)
Fiktive Straßenfläche
Soweit dem Betriebsamt bekannt wenden alle schleswig-holsteinischen
Kommunen den Frontlängenmaßstab an. Einzige Ausnahme ist die Stadt Flensburg,
die die Straßenreinigungsgebühr nach einer fiktiven Straßenfläche
berechnet: Grundstücksfrontlänge
siehe oben multipliziert mit der halben Straßenbreite.
3)
Grundstücksfläche
Die Grundstücksfläche wird zwar in obigen Erläuterungen
zur Mustersatzung, sowie in anderen Kommentaren grundsätzlich als zulässiger
Maßstab anerkannt, z.B. Wichmann /
Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis (Kapitel
4.4.1 / Seite 347/348): “Rechtlich zulässige Gebührenmaßstäbe sind der
Frontmetermaßstab (...), aber auch der Quadratwurzelmaßstab (...) oder der Grundstücksflächenmaßstab.”
Jedoch ist dem Betriebsamt keine schleswig-holsteinische Kommune bekannt, die
diesen anwendet. Urteile des schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichtes sind
hierzu nicht bekannt, auch Wichmann
zitiert lediglich ein Urteil des OVG Münster. Entscheidungen aus anderen Bundesländern
sind jedoch nur bedingt übertragbar, da die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren
auf Landesrecht basiert und entsprechend von Land zu Land abweichende Rechtsgrundlagen
vorliegen (können).
4)
Quadratwurzelmaßstab
Ferner wäre als dritter Maßstab der so genannte Quadratwurzelmaßstab
denkbar. Hierdurch wird eine fiktive, idealisierte Frontlänge des Grundstückes
ermittelt, um so Zufälligkeiten wie Ausrichtung des Grundstücks zur Straße
etc. auszugleichen. In Hessen wurde dieser Maßstab schon ausdrücklich
anerkannt, z.B. Urteil des Hessischen VGH vom 03.07.1996. In Schleswig-Holstein
ist dagegen keine Kommune bekannt, die diesen anwendet, Gerichtsurteile sind
daher auch noch nicht vorhanden. Im Zuge eines Fachseminars im Juli 2000 wurden
von Herrn Wilke, Richter am OVG Schleswig, grundsätzliche Bedenken gegen
den Quadratwurzelmaßstab geäußert.
Der Grundstücksflächenmaßstab oder der daraus abgeleitete
Quadratwurzelmaßstab würden den geringsten Verwaltungsaufwand bedeuten, da
diese Daten vorliegen bzw. mit einer einfachen Berechnung ermittelt werden
könnten. Der Frontlängenmaßstab bringt hingegen einen erheblichen zusätzlichen
Verwaltungsaufwand durch die hierfür erforderliche Ersterfassung aller
Grundstücksfrontlängen und fiktiven Frontlängen, siehe obige Anmerkungen zur
Berechnung der fiktiven Frontlänge bei Teil- und Hinteranliegern. Da die
hierdurch anfallenden Kosten auf den Gebührenzahler umgelegt werden, wäre zur
Minimierung der Belastung einer der beiden anderen Maßstäbe besser.
Jedoch bestehen bei Grundstücksflächen- oder
Quadratwurzelmaßstab erhebliche Rechtsunsicherheiten auf Grund fehlender
Erfahrungen oder Urteile zu anderen Kommunen in Schleswig-Holstein. Mithin
besteht hier eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei einer Überprüfung durch
das Verwaltungs- bzw. Oberverwaltungsgericht!