Sachverhalt:

 

Die Stelle des/der Insektenbeauftragten existiert seit 2020 und wurde im September 2022 von einer neuen Mitarbeiterin angetreten. Im Folgenden werden Motivation und Ziele für diese Position aufgeführt.

 

Weltweit nimmt die Artenvielfalt seit Jahrzehnten drastisch ab. Davon sind Insekten als artenreichste Klasse des Tierreichs nicht ausgenommen.

 

Strukturreiche Siedlungsgebiete haben großes Potenzial für Insekten, vorausgesetzt, diese Strukturen sind für die Tiere von Nutzen. Staudenbeete, Wildblumenwiesen und Gehölze sind wichtig, so wie Flächen mit Nistmöglichkeiten. Dazu zählen u.a. stehendes und liegendes Totholz und offener Oberboden (> 70 % der Wildbienenarten nisten im Boden).

 

Bewusstsein in der Öffentlichkeit ist gerade bei Insekten besonders wichtig. Selbst kleine Flächen im Garten und auf dem Balkon können umgestaltet werden und somit einer Vielzahl an Tieren Nahrung und Unterschlupf bieten. Aufgrund der relativ geringen Größe der Insekten dürfen Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten nicht weit entfernt liegen, da sie sonst unerreichbar sind.

 

Öffentliche Grünflächen können bei richtiger Pflege und Artenzusammensetzung eine Chance für die Tierwelt sein. In Norderstedt wurden in den letzten Jahren bereits viele Gebrauchsrasenflächen extensiviert und vielerorts wurde regionales Saatgut ausgesät. Insgesamt wachsen auf über 75.000 m² „Biodiversitätsflächen“ insektenfreundliche Blumen, Kräuter und Gräser. Diesen Sommer werden die Flächen erstmals seit ihrer Herstellung vollständig bewertet und zum Herbst nachgesät oder in einigen Fällen erneuert. Auf großen Flächen werden Sandarien angelegt und Totholzhaufen aufgeschichtet.

 

Eine besondere Fläche wurde letztes Jahr in der Johann-Hinrich-Wichern-Straße angelegt. Dort steht eine abgestorbene Rot-Buche eingekürzt als Habitatbaum. Davor wurden, in Anlehnung an eine Sonnenuhr, Staudenbeete und Wildblumen strahlenförmig angelegt. Der Schatten der Buche stellt den Zeiger der Uhr dar. Es sind verschiedene Strukturen geschaffen worden: zwei Sandarien (wichtig für im Boden nistende Wildbienen), ein Weidenzaun (Blüten im Frühjahr) und Totholz. An der Informationstafel wurden zwei Baumhälften als Nisthilfen für in Hohlräumen nistende Wildbienen angebracht, angefertigt durch die Norderstedter Werkstätten. Diese Fläche soll sowohl Lebensraum für Insekten, Vögel, Reptilien und andere Tiere bieten, als auch als Inspiration für die Bevölkerung dienen, ein paar der Ideen im eigenen Garten oder Balkon umzusetzen. Von der Grünflächenunterhaltung sind folgende Bereiche in die Aufgaben der Insektenbeauftragten übernommen worden: Die Planung und Betreuung der Biodiversitätsflächen (Neuanlage, langfristige Pflege und Aufwertung) und die Planung von neuen Frühblüher-Flächen (Krokusse, Tulpen, Narzissen uvm.). Bei der Wahl der Blumenzwiebeln und Wiesenmischungen wird besonders darauf geachtet, dass die Pflanzen von Insekten und anderen Tieren als Nahrungsquellen genutzt werden können.

 

Außerdem werden invasive Pflanzen als Gefahr (durch Verdrängung) für heimische Pflanzen und Tiere erkannt und ein Ausbreiten wird durch gezielte Maßnahmen gestoppt. Bestände von z.B. Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) und Japanischem Staudenknöterich (Fallopia japonica) werden laufend erfasst, soweit es geht mechanisch eingedämmt und möglichst mechanisch beseitigt.

 

Da die Stelle der Insektenbeauftragten dem Betriebsamt zugeordnet ist, kann eine insektenfreundliche Gestaltung und Pflege des öffentlichen Grüns auf kürzestem Weg umgesetzt werden. Ideen und Vorschläge der Mitarbeitenden vor Ort werden direkt mitgeteilt und zukunftsorientierte Lösungen gemeinsam gefunden. Ideen und Konzepte sind wichtig, allerdings muss die Umsetzung in der Praxis funktionieren, um langfristig zum Erfolg zu führen.

 

Die bereits gute Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen (z.B. NaNo und Natur und Landschaft) wird zukünftig ausgebaut, u.a. durch einen regelmäßigen Austausch (z.B. in Form vom „Netzwerktreffen Nachhaltigkeit“). Auch der Kontakt zu lokalen Naturschutzverbänden soll intensiviert werden. Am 18. Juni wird die Insektenbeauftragte am Biodiversitätstag im Stadtpark teilnehmen mit Informationen und Mitmachaktionen.

 

Im März 2023 wird eine Zertifizierung der zuständigen Fachingenieurin zur Wespen- und Hornissenberaterin angestrebt, angeboten vom Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume (BNUR). Bürgerinnen und Bürger können sich mit Sorgen und Fragen zukünftig direkt an ihr Betriebsamt wenden.

 

Das Wort „Citizen Science“ ist inzwischen vielen Menschen ein Begriff. Tatsächlich kann heute fast jede Person mit Handykamera und Internetzugriff Naturbeobachtungen in globale Netzwerke speisen und damit wichtige Datenpunkte für die Wissenschaft sammeln. Viel wird dies bereits für Vogelbeobachtungen und zur Pflanzenbestimmung genutzt. Naturschutzgruppen rufen seit ein paar Jahren dazu auf, auch Insekten zu beobachten und zu zählen. Aktionen wie z.B. der „Insektensommer“ (NABU) bieten eine gute Möglichkeit, der breiten Bevölkerung Insekten näherzubringen.

 

Durch mögliche Aktionen wie Foto-Wettbewerbe und Beiträge in den (sozialen) Medien soll das Thema Insektenschutz im Alltag präsent werden und bleiben. In Norderstedt gibt es Naturbegeisterte und Hobbyfotograf*innen, die sich bei Veranstaltungen vernetzen gegenseitig inspirieren können: Motto: „Was man nicht kennt, kann man nicht schützen“.

 

Um bereits die nächste Generation für das Thema Naturschutz zu sensibilisieren – Insektenschutz ist Naturschutz – sollen weitere Veranstaltungen mit Kitas und Grundschulen stattfinden. Idealerweise können Kinder dabei von Insekten begeistert, mindestens soll aber Angst und Ekel genommen werden. Bisher wurde in einigen Kitas gemeinsam gebastelt und gepflanzt, Honigbienen wurden bestaunt und Honig probiert. Leider hatte die Corona-Pandemie die Tätigkeiten in dieser Hinsicht stark eingeschränkt.

 

Auf der Internetseite des Betriebsamtes wird aktuell der Teilbereich „Insekten“ aufgebaut. Unter anderem werden die häufigsten Fragen von Anwohner*innen zum Thema beantwortet. Außerdem werden Links zur Verfügung gestellt, die auf relevante Webseiten weiterleiten.

 

Auf den städtischen Friedhöfen Friedrichsgabe und Harksheide haben lokale Imker Honigbienenvölker aufgestellt und auf der Heidefläche des Friedhofs Friedrichsgabe steht seit letztem Jahr eine sogenannte Klotzbeute. Diese fügt sich optisch in das Friedhofsbild ein und bietet zwei Bienenvölkern Platz, die sich dort ohne menschliches Zutun einrichten können.

 

Oben: Bienenvölker auf dem Friedhof Friedrichsgabe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Klotzbeute in Heidefläche: eine Klotzbeute ist ein ausgehöhlter Baumstamm, der mit Wabenbauhilfen und Fluglöchern ausgestattet ist. Die Natur soll nachgeahmt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Habitatbaumfläche in der Johann-Hinrich-Wichern-Straße: abgestorbene Rot-Buche, Totholz und Infotafel im Vordergrund

 

 

 

 

 

 

 

 

Benjeshecke und Weiden rechts im Bild

 

 

 

 

 

 

 

 

Krokusse (hier Poolstraße im Februar ‘23) sind wichtige erste Nektar- und Pollenquellen im Frühjahr