Sitzung: 15.03.2023 Umweltausschuss
Vorlage: M 23/0139
Sachverhalt:
Die
Stelle des/der Insektenbeauftragten existiert seit 2020 und wurde im September
2022 von einer neuen Mitarbeiterin angetreten. Im Folgenden werden Motivation
und Ziele für diese Position aufgeführt.
Weltweit
nimmt die Artenvielfalt seit Jahrzehnten drastisch ab. Davon sind Insekten als
artenreichste Klasse des Tierreichs nicht ausgenommen.
Strukturreiche Siedlungsgebiete haben großes Potenzial
für Insekten, vorausgesetzt, diese Strukturen sind für die Tiere von Nutzen.
Staudenbeete, Wildblumenwiesen und Gehölze sind wichtig, so wie Flächen mit
Nistmöglichkeiten. Dazu zählen u.a. stehendes und liegendes Totholz und offener
Oberboden (> 70 % der Wildbienenarten nisten im Boden).
Bewusstsein in der Öffentlichkeit ist gerade bei
Insekten besonders wichtig. Selbst kleine Flächen im Garten und auf dem Balkon
können umgestaltet werden und somit einer Vielzahl an Tieren Nahrung und
Unterschlupf bieten. Aufgrund der relativ geringen Größe der Insekten dürfen
Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten nicht weit entfernt liegen, da sie sonst
unerreichbar sind.
Öffentliche Grünflächen können bei richtiger Pflege und
Artenzusammensetzung eine Chance für die Tierwelt sein. In Norderstedt wurden
in den letzten Jahren bereits viele Gebrauchsrasenflächen extensiviert und
vielerorts wurde regionales Saatgut ausgesät. Insgesamt wachsen auf über 75.000
m² „Biodiversitätsflächen“ insektenfreundliche Blumen, Kräuter und Gräser.
Diesen Sommer werden die Flächen erstmals seit ihrer Herstellung vollständig
bewertet und zum Herbst nachgesät oder in einigen Fällen erneuert. Auf großen
Flächen werden Sandarien angelegt und Totholzhaufen aufgeschichtet.
Eine besondere Fläche wurde letztes Jahr in der
Johann-Hinrich-Wichern-Straße angelegt. Dort steht eine abgestorbene Rot-Buche
eingekürzt als Habitatbaum. Davor wurden, in Anlehnung an eine Sonnenuhr,
Staudenbeete und Wildblumen strahlenförmig angelegt. Der Schatten der Buche
stellt den Zeiger der Uhr dar. Es sind verschiedene Strukturen geschaffen
worden: zwei Sandarien (wichtig für im Boden nistende Wildbienen), ein
Weidenzaun (Blüten im Frühjahr) und Totholz. An der Informationstafel wurden
zwei Baumhälften als Nisthilfen für in Hohlräumen nistende Wildbienen
angebracht, angefertigt durch die Norderstedter Werkstätten. Diese Fläche soll
sowohl Lebensraum für Insekten, Vögel, Reptilien und andere Tiere bieten, als
auch als Inspiration für die Bevölkerung dienen, ein paar der Ideen im eigenen
Garten oder Balkon umzusetzen. Von der Grünflächenunterhaltung sind folgende
Bereiche in die Aufgaben der Insektenbeauftragten übernommen worden: Die
Planung und Betreuung der Biodiversitätsflächen (Neuanlage, langfristige Pflege
und Aufwertung) und die Planung von neuen Frühblüher-Flächen (Krokusse, Tulpen,
Narzissen uvm.). Bei der Wahl der Blumenzwiebeln und Wiesenmischungen wird
besonders darauf geachtet, dass die Pflanzen von Insekten und anderen Tieren
als Nahrungsquellen genutzt werden können.
Außerdem werden invasive Pflanzen als Gefahr (durch
Verdrängung) für heimische Pflanzen und Tiere erkannt und ein Ausbreiten wird
durch gezielte Maßnahmen gestoppt. Bestände von z.B. Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) und
Japanischem Staudenknöterich (Fallopia
japonica) werden laufend erfasst, soweit es geht mechanisch eingedämmt und
möglichst mechanisch beseitigt.
Da die Stelle der Insektenbeauftragten dem Betriebsamt
zugeordnet ist, kann eine insektenfreundliche Gestaltung und Pflege des
öffentlichen Grüns auf kürzestem Weg umgesetzt werden. Ideen und Vorschläge der
Mitarbeitenden vor Ort werden direkt mitgeteilt und zukunftsorientierte
Lösungen gemeinsam gefunden. Ideen und Konzepte sind wichtig, allerdings muss
die Umsetzung in der Praxis funktionieren, um langfristig zum Erfolg zu führen.
Die bereits gute Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen
(z.B. NaNo und Natur und Landschaft) wird zukünftig ausgebaut, u.a. durch einen
regelmäßigen Austausch (z.B. in Form vom „Netzwerktreffen Nachhaltigkeit“).
Auch der Kontakt zu lokalen Naturschutzverbänden soll intensiviert werden. Am
18. Juni wird die Insektenbeauftragte am Biodiversitätstag im Stadtpark
teilnehmen mit Informationen und Mitmachaktionen.
Im März 2023 wird eine Zertifizierung der zuständigen
Fachingenieurin zur Wespen- und Hornissenberaterin angestrebt, angeboten vom
Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume (BNUR). Bürgerinnen und
Bürger können sich mit Sorgen und Fragen zukünftig direkt an ihr Betriebsamt
wenden.
Das Wort „Citizen Science“ ist inzwischen vielen
Menschen ein Begriff. Tatsächlich kann heute fast jede Person mit Handykamera
und Internetzugriff Naturbeobachtungen in globale Netzwerke speisen und damit
wichtige Datenpunkte für die Wissenschaft sammeln. Viel wird dies bereits für
Vogelbeobachtungen und zur Pflanzenbestimmung genutzt. Naturschutzgruppen rufen
seit ein paar Jahren dazu auf, auch Insekten zu beobachten und zu zählen.
Aktionen wie z.B. der „Insektensommer“ (NABU) bieten eine gute Möglichkeit, der
breiten Bevölkerung Insekten näherzubringen.
Durch mögliche Aktionen wie Foto-Wettbewerbe und
Beiträge in den (sozialen) Medien soll das Thema Insektenschutz im Alltag
präsent werden und bleiben. In Norderstedt gibt es Naturbegeisterte und
Hobbyfotograf*innen, die sich bei Veranstaltungen vernetzen gegenseitig
inspirieren können: Motto: „Was man nicht kennt, kann man nicht schützen“.
Um bereits die nächste Generation für das Thema
Naturschutz zu sensibilisieren – Insektenschutz ist Naturschutz – sollen
weitere Veranstaltungen mit Kitas und Grundschulen stattfinden. Idealerweise
können Kinder dabei von Insekten begeistert, mindestens soll aber Angst und
Ekel genommen werden. Bisher wurde in einigen Kitas gemeinsam gebastelt und
gepflanzt, Honigbienen wurden bestaunt und Honig probiert. Leider hatte die
Corona-Pandemie die Tätigkeiten in dieser Hinsicht stark eingeschränkt.
Auf der Internetseite des Betriebsamtes wird aktuell der
Teilbereich „Insekten“ aufgebaut. Unter anderem werden die häufigsten Fragen
von Anwohner*innen zum Thema beantwortet. Außerdem werden Links zur Verfügung
gestellt, die auf relevante Webseiten weiterleiten.
Auf den städtischen Friedhöfen Friedrichsgabe und
Harksheide haben lokale Imker Honigbienenvölker aufgestellt und auf der
Heidefläche des Friedhofs Friedrichsgabe steht seit letztem Jahr eine
sogenannte Klotzbeute. Diese fügt sich optisch in das Friedhofsbild ein und
bietet zwei Bienenvölkern Platz, die sich dort ohne menschliches Zutun
einrichten können.
Oben: Bienenvölker auf dem Friedhof Friedrichsgabe
Klotzbeute in Heidefläche: eine Klotzbeute ist ein ausgehöhlter Baumstamm, der mit Wabenbauhilfen und Fluglöchern ausgestattet ist. Die Natur soll nachgeahmt werden.
Habitatbaumfläche in der Johann-Hinrich-Wichern-Straße: abgestorbene Rot-Buche, Totholz und Infotafel im Vordergrund
Benjeshecke und Weiden rechts im Bild
Krokusse (hier Poolstraße im Februar ‘23) sind wichtige erste Nektar- und Pollenquellen im Frühjahr